Kanonier 84-86
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Ich habe von Nov. 1984 bis Mai 1986 meinen DDR-Grundwehrdienst im AR 26 der Grenztruppen/ ab Okt. 1985 AR 40 der NVA verbracht, als Kanonier an sovjetischen Haubitzen und Kanonen. Das AR 26 war etwas besonderes in Berlin, die DDR-Grenztruppen hatten nicht nur ihre Grenzsicherungskräfte, die an der Mauer standen, sondern auch Einheiten mit schwererer Militärtechnik, v.a. Artillerie. Im Stadtgebiet von Berlin war dies eine Umgehung des 4-Mächte-Abkommens durch die DDR, weil dort nur allierte Truppen reguläre Armee stationiert haben durften. Deswegen hatten in der DDR die Grenztruppen die schwerere Armeetechnik.
Heute kann man es im Internet nachlesen, dass wir im Falle eines Ernstfalles zur Eroberung von Westberlin eingesetzt worden wären. Insbesondere im Falle eine Konfliktes der USA mit Kuba wäre vom Warschauer Pakt Westberlin anvisiert worden. Diese Gefahr bestand z.B. im November 1984, als die USA drohten, in Nikaragua einzumaschieren, mit dem Kuba einen Beistandstandspakt hatte. In dieser Zeit hatten wir 2 oder 3 Tage von unserem Objekt aus unsere Geschütze in den Westen gerichtet, auf Flugplatz Tegel, wie wir hörten. Unser Training zur Vereidigung wurde damals abgebrochen und wir jungen Rekruten bekamen eine Schnelleinweisung an den Haubitzen D 30. Unser Zugführer (Leutnant Gorges) sagte uns, wir "würden im Feld vereidigt und kämpfen an der Seite einer sovjetischen Division". Für mich, der nicht einmal 19 war, war dies äußerst deprimierend: Gerade eingezogen und dann sofort in den Krieg. Diese Aktion wurde unerwartet abgebrochen, die Vereidigung fand planmäßig statt, aber mein Vater bemerkte damals bei mir eine äußerste Niedergeschlagenheit, wiewohl wir über Details nicht sprechen konnten.
Auch in anderer Hinsicht war AR 26 außergewöhnlich: Wir hatten insbesondere in der 3. Abteilung (7. bis 9. Batterie, besonders schwer zu bedienende Kanonen M - 46) eine Reihe von Leuten, die aufgrund der Degradierung bei den Grenztruppen strafversetzt wurden zu uns. Nicht mehr politisch zuverlässig, nicht mehr grenztauglich. In meiner Gruppe, 3. Gruppe 7. Batterie, war ein zum Soldaten degradierter Offiziersschüler der GT, in einer anderen Gruppe, ein abgekohlter Grenz-Fähnrich.
Was auch noch besonders war und eher angenehmer Natur: Wir wurden häufig eingesetzt zu Wachen in GKM (Grenzkommando Mitte), wo das Wachregime humaner war und sehr gutes Essen, zu Wachen in einem Berlinnahen Munitionslager sowie als Statisten-Schauspieler und für Bühnen-Aufräumarbeiten im Ernst-Thälmann-Fernsehfilm, viel gedreht in Berlin Mitte und Potsdam Babelsberg.
Auch wurden einzelne Soldaten unseres Regimentes, die noch politisch als grenztauglich eingestuft wurden (Ich gehörte nicht dazu), zu Ausbauarbeiten an die Berliner Mauer geschickt.
Ich könnte noch sehr viel persönlich Erlebnisse berichten (Und habe dies teilweise auch schon in anderen Themen), aber wichtig wäre mir zu wissen, ob die Aufarbeitung dieses Themas für die Mitglieder dieses Forums interessant ist und ob noch jemand anders über dieses Regiment und seine Erfahrungen dort berichten kann?
Ein nicht geringer Teil der Forummitglieder ist in Berlin oder manchmal dort tätig. Die Adresse des ehemaligen Regimentsstandortes ist Berlin-Schöneweide-Johannisthal, Großberliner Damm 100. Wer will, erkundet dies und postet Beobachtungen und Fotos, ich hätte zu vielem noch eigene Erlebnisse zu berichten. (Ich möchte aber erst wissen und mich überzeugen, ob überhaupt Interesse besteht). (In nicht allzuferner Nachbarschaft war ein Stasi-Wachregiment, was u.a. Personenschutz und Wachen in Staatsgebäuden, z.B. Palast der Republik, machte.)
Im Okt. 1985 wurde unser Regiment, vermutlich aufgrund dauernder Einsprüche der Westalliierten, aus den Grenztruppen ausgegliedert und als AR 40 in die NVA eingegliedert, was auch unter schon geschilderten mysteriösen Umständen auf dem TÜP Streganz geschah. Wir bekamen dann alle NVA-Uniformen und mußten die GT-Uniformen abgeben. Den Auszug aus Berlin nach Blankenfelde, der erst 1989 kurz vor der Wende stattfand, habe ich dann nicht mehr erlebt.
Also ich bitte um Kommentare, Erlebnisberichte, Berichte über den heutigen Zustand, Interpretationen der militärpolitischen Bedeutung und Entwicklung und eine Gesamteinschätzung, ob dieses Regiment ein wichtiges Element der Militärgeschichte Ostdeutschlands ist!!!
Vielen Dank
zuletzt im Dritten Diensthalbjahr Richtkanonier Grundgeschütz (3. Kanone) 7. Batterie
Heute kann man es im Internet nachlesen, dass wir im Falle eines Ernstfalles zur Eroberung von Westberlin eingesetzt worden wären. Insbesondere im Falle eine Konfliktes der USA mit Kuba wäre vom Warschauer Pakt Westberlin anvisiert worden. Diese Gefahr bestand z.B. im November 1984, als die USA drohten, in Nikaragua einzumaschieren, mit dem Kuba einen Beistandstandspakt hatte. In dieser Zeit hatten wir 2 oder 3 Tage von unserem Objekt aus unsere Geschütze in den Westen gerichtet, auf Flugplatz Tegel, wie wir hörten. Unser Training zur Vereidigung wurde damals abgebrochen und wir jungen Rekruten bekamen eine Schnelleinweisung an den Haubitzen D 30. Unser Zugführer (Leutnant Gorges) sagte uns, wir "würden im Feld vereidigt und kämpfen an der Seite einer sovjetischen Division". Für mich, der nicht einmal 19 war, war dies äußerst deprimierend: Gerade eingezogen und dann sofort in den Krieg. Diese Aktion wurde unerwartet abgebrochen, die Vereidigung fand planmäßig statt, aber mein Vater bemerkte damals bei mir eine äußerste Niedergeschlagenheit, wiewohl wir über Details nicht sprechen konnten.
Auch in anderer Hinsicht war AR 26 außergewöhnlich: Wir hatten insbesondere in der 3. Abteilung (7. bis 9. Batterie, besonders schwer zu bedienende Kanonen M - 46) eine Reihe von Leuten, die aufgrund der Degradierung bei den Grenztruppen strafversetzt wurden zu uns. Nicht mehr politisch zuverlässig, nicht mehr grenztauglich. In meiner Gruppe, 3. Gruppe 7. Batterie, war ein zum Soldaten degradierter Offiziersschüler der GT, in einer anderen Gruppe, ein abgekohlter Grenz-Fähnrich.
Was auch noch besonders war und eher angenehmer Natur: Wir wurden häufig eingesetzt zu Wachen in GKM (Grenzkommando Mitte), wo das Wachregime humaner war und sehr gutes Essen, zu Wachen in einem Berlinnahen Munitionslager sowie als Statisten-Schauspieler und für Bühnen-Aufräumarbeiten im Ernst-Thälmann-Fernsehfilm, viel gedreht in Berlin Mitte und Potsdam Babelsberg.
Auch wurden einzelne Soldaten unseres Regimentes, die noch politisch als grenztauglich eingestuft wurden (Ich gehörte nicht dazu), zu Ausbauarbeiten an die Berliner Mauer geschickt.
Ich könnte noch sehr viel persönlich Erlebnisse berichten (Und habe dies teilweise auch schon in anderen Themen), aber wichtig wäre mir zu wissen, ob die Aufarbeitung dieses Themas für die Mitglieder dieses Forums interessant ist und ob noch jemand anders über dieses Regiment und seine Erfahrungen dort berichten kann?
Ein nicht geringer Teil der Forummitglieder ist in Berlin oder manchmal dort tätig. Die Adresse des ehemaligen Regimentsstandortes ist Berlin-Schöneweide-Johannisthal, Großberliner Damm 100. Wer will, erkundet dies und postet Beobachtungen und Fotos, ich hätte zu vielem noch eigene Erlebnisse zu berichten. (Ich möchte aber erst wissen und mich überzeugen, ob überhaupt Interesse besteht). (In nicht allzuferner Nachbarschaft war ein Stasi-Wachregiment, was u.a. Personenschutz und Wachen in Staatsgebäuden, z.B. Palast der Republik, machte.)
Im Okt. 1985 wurde unser Regiment, vermutlich aufgrund dauernder Einsprüche der Westalliierten, aus den Grenztruppen ausgegliedert und als AR 40 in die NVA eingegliedert, was auch unter schon geschilderten mysteriösen Umständen auf dem TÜP Streganz geschah. Wir bekamen dann alle NVA-Uniformen und mußten die GT-Uniformen abgeben. Den Auszug aus Berlin nach Blankenfelde, der erst 1989 kurz vor der Wende stattfand, habe ich dann nicht mehr erlebt.
Also ich bitte um Kommentare, Erlebnisberichte, Berichte über den heutigen Zustand, Interpretationen der militärpolitischen Bedeutung und Entwicklung und eine Gesamteinschätzung, ob dieses Regiment ein wichtiges Element der Militärgeschichte Ostdeutschlands ist!!!
Vielen Dank
zuletzt im Dritten Diensthalbjahr Richtkanonier Grundgeschütz (3. Kanone) 7. Batterie