"Warndienst" in der DDR

Martin Kaule

Administrator
Gab es eigentlich in der Zeit des Kalten Krieges analog zu Westdeutschland einen Warndienst (http://de.wikipedia.org/wiki/Warnamt) in der DDR?

Existierte ein ziviles Überwachungsnetz mit dem die verschiedensten Umweltparameter protokolliert wurden, oder war der Zivilschutz letztendlich auf eine Alarmierung durch das militärische Überwachungssystem angewiesen?

BG
Martin
 
Gewartet wurde das von der Deutschen Post, der Aufbau dürfte auf beiden Seiten ähnlich gewesen sein.
 
ich denke, derartige Strukturen gab es unter der Hauptverwaltung Zivilverteidigung der DDR; auch die Luftbeobachtungsbunker gehörten wohl im weitesten Sinne dazu. Meiner Kenntnis nach wurden sie u.a. nach Tschernobyl zur DL- Messung genutzt..
 
Hallo,
ich würde Sagen, man kann die Strukturen des Warndienstes der BRD und die der ZV, BEL und des Luftschutzes der DDR nicht vergleichen, da die Organisationsstrukturen zwischen BRD und DDR, vor allem im Verteidigunszustand, komplett andere waren. Einfacher ausgedrückt: Die Aufgabe des Warndienstes der BRD wurde in der DDR anders gelöst.

... meint BURK
 
Gewartet wurde das von der Deutschen Post, der Aufbau dürfte auf beiden Seiten ähnlich gewesen sein.

Dann müsste auch die DDR von einem Netz von "Sensoren" überzogen gewesen sein die beispielsweise Radioaktivität messen konnten und Daten an eine oder mehrere zentrale Stellen (im Falle der BRD also Warnämter) sendeten?

Interessant die Strukturen und Einrichtungen zu vergleichen die im Kalten Krieg geschaffen wurden.
 

Anhänge

  • buettner4957.jpg
    buettner4957.jpg
    43,6 KB · Aufrufe: 38
  • buettner4960.jpg
    buettner4960.jpg
    28 KB · Aufrufe: 33
Manchmal sollte man auch einfach nur ins Bücherregal schauen:

Im Buch »Schützen und Helfen? Luftschutz und Zivilverteidigung in der DDR 1955 bis 1989/90« findet man folgende Informationen:

Seite 211:
Um Schutz vor den Folgen eines solchen Kriegsszenarios zu bieten, wurden systematisch die vorhandenen Wohngebäude erfasst und bewertet, in Neubauten Schutzräume geschaffen sowie behelfsmäßige Schutzplätze in Betrieben vorgesehen. Ende 1971 sollen in den Wohngebäuden für 4 Prozent der Bevölkerung insgesamt 675 000 Schutzplätze und in den Betrieben 215 000 für 18 Prozent der Beschäftigten vorhanden gewesen sein. Um die Bevölkerung vor einem eventuellen Angriff warnen und in die Bunker rufen zu können, wurden 19300 Sirenen aufgestellt. Schon 1974 meldete der Stab der ZV, bei Neu-, Um- und Erweiterungsbauten seien nochmals etwa 1,7 Mill. Schutzplätze geschaffen worden, und nach der Erfassung und dem weiteren Ausbau aller Kellerräume in den Städten, Gemeinden und Betrieben könnten insgesamt in solchen »Baulichkeiten ca. 13,34 Millionen Menschen (ca. 80 % der Bürger der DDR) Schutz finden«. Später wurde noch die millionenfache Beschaffung und Bevorratung von Atemschutzmasken begonnen.

Seite 288:
...Pläne des Politbüros zum Aufbau eines Benachrichtigungssystems für die Partei-, Militär- und Staatsführung sowie eines DDR-weiten »Warndienstes« für die Bevölkerung. Obwohl die SED eine unerwartete und schnelle Invasion des Westens bzw. einen überraschenden Kernwaffenangriff fürchtete, nach dem ihr keine Vorwarn- und Vorbereitungszeit bleiben würde, ging sie davon aus, dass bei einem solchen feindlichen Angriff noch ausreichend Zeit bliebe, die Bevölkerung zu warnen und in die Schutzräume zu rufen. Dazu waren u.a. ein flächendeckendes Sirenennetz, der Austausch von Verbindungsoffizieren zwischen den Gefechtsständen der LSK/LV und des LS, die Nutzbarmachung des Rundfunks und die Schaltung spezieller Leitungen durch die Deutsche Post geplant. Doch aufgrund fehlender finanzieller und technischer Möglichkeiten verzögerte sich die Umsetzung dieser und anderer Pläne zur wirtschaftlichen und infrastrukturellen Kriegsvorbereitung immer wieder. Der Bau von Bunkern, die Einlagerung von Lebensmitteln, Brenn- und Rohstoffen für Millionen Menschen sowie die Vorbereitung der Infrastruktur auf einen Krieg überforderten schlichtweg die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der DDR.

Informationen zum Buch: http://www.christoph-links-verlag.de/index.cfm?inhalt=detail&nav_id=1&titel_id=400

Gut, wir haben ein ausgebautes Netz zur Alarmierung der Bevölkerung welches dezentral und zentral angesteuert werden konnte.

Dezentral meint:
- Auslösung der Sirenen durch Feuerwehr- und Polizeidienststellen
- gab es weitere?

Zentral:
- Auslösung der Sirenen durch den ZGS14 bei Fürstenwalde
- gab es weitere Stellen zur zentralen oder koordinierten Ansteuerung der Sirenen (ZV-Leitstelle/Ministerium/HV?)

Wie wäre eine Rundfunkalarmierung erfolgt?

Okay. Es existierten zahlreiche Instrumente wie damals die Bevölkerung usw. informiert werden konnte. Aber wie wäre eine genaue Analyse der Lage erfolgt? Klar, in den verschiedensten militärischen Gefechtsständen wurde die aktuelle Luftlage ständig beobachtet. In den GS war klar was sich im Luftraum abspielte. Im Zweifel hätten andere militärische Einheiten die aufgeklärte Lage bestätigen können.

Doch was wäre gewesen, wenn jetzt aber eine Rakete in den Luftraum der DDR eingedrungen wäre, die Luftabwehr versagte oder gar nicht erst vorhanden war (gibt ja zahlreiche Ecken der DDR die nicht geschützt waren), gab es ein militärisches oder gar ziviles Messnetz welches entsprechende Parameter aufnehmen konnten und dann auch in Echtzeit weiter meldeten? Oder war dies aus ökonomischen Gründen auch nicht vorhanden und deswegen existierten die Luftbeobachtungsbunker? Existierte dorte eine differenzierte Messtechnik oder war man auf die Sachkunde des Personals angewiesen? Da komme ich gleich zur nächsten Frage: waren die Luftbeobachtungsbunker permanent besetzt?

Zurück zum ZGS14: dort war also Verbindungspersonal des ZV der DDR ebenso rund um die Uhr anwesend?

BG
Martin
 
Martin,
es berührt ein sehr umfassendes Feld. Weil dem wurde halt grundsätzlich viel Aufmerksamkeit gewidmet. Vllt nachfolgend nur ein paar weitere Bemerkungen dazu »

Insbesondere dem Inhalt deines zweiten Zitates s.288 muss man zustimmen. Auch liegst du mit deiner Intention einer Zweiteilung der Aufgabenverteilung (zentral - bezirklich/objektmäßig) richtig. Es war auch nicht so, daß im ZGS nun Verbindungsoffiziere zu LS/ZV o.ä. sich aufhielten - halt nur die bekannten aus der Armee. Für so was gab es ja direktgeschaltete Fernschreib(Telex)-Leitungen. Notfalls mit Verschlüsselung, mit der Technik wie hier im Thema 'Kanalchiffriergerät T-310' beschrieben ist.

Die dezentrale Warnung wäre über ein System gelaufen, was wir hier immer mit KEL/BEL bezeichnen (das ist erstmal so am einfachsten).

Die Zentrale mit den Mitteln des Militärs. Es gab Einrichtungen in den MB-VM-LSK/LV-MfNV. Wie schon hingewiesen, die zentrale Alarmierung der Sirenen wäre vom ZGS-14 aus erfolgt.

Als Meldessystem für normale Überwachung wurde das Melde-Stations-Netz des zivilen Meteorologischen Dienstes genutzt. Es war gut ausgebaut, auch in der Fläche. Ab Anfang 1980 wurde es zunehmend automatisiert. Spezielle Stationen hatten zusätzliche Sensoren für z.B. Strahlenbelastung. Das waren die um Lubmin bzw. im Raum Bitterfeld.

Man hatte so eine kontinuierliche Umwelt-Lage. Diese Informationen wurden insbesondere auch von den Einrichtungen der NVA (ARIGs) genutzt um Abweichungen erkennen zu können. Alles ab 1980 rechnergestützt. Da das System des MD genutzt wurde, aber die NVA verantwortlich für die Bewertung war, kam auch hier dem militärischen MD Bedeutung zu.

Dazu wurde die zugehörige Ordnung der Sicherstellung (mit) extra 1984 angepasst. Hier ein paar Passagen daraus »

1. ... rechtzeitige Erarbeitung, Übermittlung und Auswertung von Angaben über die herrschenden und zu erwartenden meteorologischen Bedingungen zur Berücksichtigung ihres Einflusses auf die Lösung militärischer Aufgaben sowie die Bereitstellung von Warnmeldungen bei erwartetem Auftreten gefahrdrohender meteorologischer Erscheinungen und damit im Zusammenhang stehender Prozesse des hydrologischen bzw. hydrometeorologischen Regimes zur Einleitung von Vorsorge- und Abwehrmaßnahmen.

11. (b) durch die Kernstrahlungs- und Aufklärungseinheiten - Angaben über das Bodenwetter in Verbindung mit Meldungen über den Einsatz von chemischen Waffen und auf Anforderung.

11. (4) Durch die in das System der visuellen Luftraumbeobachtung einbezogenen Beobachtungsstellen der Zivilverteidigung sind periodische Angaben über Bewölkungs-, Niederschlags- und Sichtverhältnisse an die festgelegten funktechnischen Einheiten der LSK/LV über die dafür vorgesehenen Nachrichtenverbindungen zu übermitteln.

17. Zur umfassenden Nutzung meteorologischer Angaben aus Gebieten in der Nähe der Staatsgrenze der DDR zur BRD sind durch die Flugwetterwarten der Grenztruppen der DDR die meteorologischen Beobachtungsergebnisse ständig dem Zentralen Gefechtsstand der LSK/LV (Zentrale Flugwetterwarte) zu übermitteln und durch diese im Flugwetterfernschreibnetz regelmäßig zu verbreiten.

19. Die Zusammenarbeit mit den entsprechenden staatlichen Einrichtungen zur Sicherstellung der Übermittlung meteorologischer und hydrometeorologischer Angaben erfolgt auf der Grundlage der bestehenden Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Nationale Verteidigung und dem Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft.

Der ganze Text ist auf unserer Webseite unter Dokumente zugänglich. Es ist eine allgemeine Beschreibung der damaligen Festlegungen und Verantwortlichkeiten. Und insofern hat da auch @burk in #5 völlig Recht.

Grüße Frank
 

Anhänge

  • dv_046_b1.jpg
    dv_046_b1.jpg
    127,8 KB · Aufrufe: 29
Martin, Dein Zitat von S. 211 erinnert mich sehr an Verordnungen und Erlasse von 1940/41.
Die Schutzräume in einigen Neubauten gibt es ja, allerdings in sehr eigenartiger Form ( gasdichte Tür aber normale Kellerfenster)
 
Es wurden zu DDR-zeiten auch alle Keller in Privathäusern erfasst und auf Eignung geprüft. Bei Eignung wurde für die Keller eine A4 Karteikare mit mit Raumangaben und Materealbedarf für die Herrichtung als Schutzraum angelegt. Zuständig waren die örtlichen Stäbe der ZV. Die Unterlagen waren auch dort deponiert.
 
Oben