S1-Sondernetz für Bedarfsträger, Geschichte und Entwicklung nach 1989

kunstseide942

New member
Hallo zusammen,
ich war als Nachrichtentechniker einer SBZ im WID (Wartungs- und Instandhalungsdienst) einer SBZ tätig.
Mich würde der Verbleib unserer Technik und vor allem der heutige Einsatz unseres umfangreichen Kabelnetzes interessieren.
Mein damaliger Standort ist heute als Außenstelle des Deutschen Wetterdienstes (laut Streetview) deklariert.
Ist das nur Tarnung oder Tatsache und wenn, wem gehören und wer betreibt die ehemals druckluftüberwachten Kabel?
 
Eine interessante Fragestellung ! Eine erste Antwort zum allg. Verständnis, das ist ein Thema was etliche Forscher beschäftigt(e). Dadurch ist auch Einiges zusammengetragen worden.

Entsprechend eines Regierungsbeschluss von 1/1990 wurde dieses Netz vom MfS / AfNS an das MdI der ehem. DDR übergeben.

Für die Verwaltung und den weiteren Betrieb des Netzes wurde im MdI das Zentralamt Spezialfernmeldetechnisches Dienstnetz der Regierung SFDR gebildet (nach den ersten demokratischen Wahlen umbenannt in SFD).

Das SFDR erstellte eine Studie zu diesem Sonderkabelnetz. Diese war dann die Grundlage der Weiternutzung.

Die ‚Telekom AG‘ übernahm nachfolgend nahezu komplett die technischen Systeme der D.Post der DDR. Sie blieb da also im Prinzip aussen vor, übernahm aber später einige speziell herausgefischte Teile davon.

Nachfolgend wurden etliche Teile, auch unterstützt durch Insider des Netzes, von der Privatwirtschaft übernommen. Namentlich die damals entstandenen Mobilfunkfirmen, deren Namen sind bekannt. Mittlerweile wird die Nutzung dieser Teile durch modernste Entwicklungen des mobilen Datenfunknetzes uninteressanter.

Die betreffenden Sonderkabelstrecken – zumindest die Hauptstrecken - wurden & werden nahezu übergangslos weitergenutzt. Also Vorsicht bei Annäherung an zugehörige Objekte. Man nimmt vieles heutzutage erst unmittelbar am Gebäude war.

Was den meteorologischen Dienst betrifft » mir ist da als damalige Doppelnutzung der Standort Leipzig in der Kärrnerstraße bekannt. Dieser Teil des Objektes wurde vom DWD übernommen und im Keller soll Übertragungstechnik weiterhin in Nutzung sein. Das passt aber nicht so recht zu deinem Nicknamen :)

Willkommen im Forum - Frank
 
Korrektur zur Bezeichnung SFDR: korrekt » Spezialfernmeldedienst der Regierung

Die Bezeichnung SFDR wurde konkret am 03.10.1990 geändert in SFD. Der SFD wurde zum 31.12.1990 aufgelöst und bis zum 30.06.1991 abgewickelt.

Grüße Frank
 
Frank ,

SFDR war das ehemalige MfS Sonderkabelnetz . S1 das Netz unter unter Obhut des MfNV. WS kann da sicherlich mehr zu sagen.

Grüße Skynet
 
Das ist schon klar & korrekt. So richtig trennen kann man es (bzgl Nachnutzung) nicht, ich denke der TE meint es so. Aber mal sehen wie es dazu weitergeht.

Grüße Frank
 
Mal meine Erinnerungen dazu.
SFDR hatte rein gar nichts mit dem S1 Netz zu tun, außer Schnittstellen der Leitungsnutzung.
Unter der Obhut des MdI wurde das "alte" WTsch Netz der Regierung weiterbetrieben und auch noch im Jahre 1990 erweitert. Insbesondere die Mitglieder der neuen Regierung erhielten Anschlüsse aus diesem Netz, um störungsfrei zu telefonieren.
Es war ein autarkes Netz, welches gewartet und gepflegt wurde.
Bis Anfang Oktober bestanden die Verbindungen mit Spezialtechnik in fast alle Hauptstädte der "Bruderländer" Erst 2 Tage vor der "Vereinigung" wurde die sensible Technik abgebaut und rückgeführt. Nach Moskau erst am 02.10.1990.

Freundlichst

thommy_berlin
 
Hallo,
ich persönlich würde sagen: Viel davon ist nicht mehr da und wird auch nicht mehr genutzt.
Die damalige Technik war bereits in den 90ern weit Überhohlt, denke man an Trägerfrequenz- oder die damalige PCM Technik. Von den Vermittlungsanlagen mal ganz zu schweigen. Das meiste davon dürfte in den neunzigern verschrottet worden sein. Die meisten SBZ gebäude dürften eine neue Nutzung haben. Einige wurden auch abgerissen. Wozu benötigt man denn auch eine SBZ, wenn dahinter niemand mehr ist, der einen Anschluss braucht?
Und zu den Kabeln, nun da gab es in den neunzigern ein massives Glasfaserasubauprogramm.

... meint BURK
 
Vermutlich ist jede Antwort richtig - man kann es so oder so sehen.

Wenn wir mal weg von Netzebenen wie S1 oder R1 hin zur physikalischen Ebene gehen, dann sind die Haupttrassen mit den großen Tuben völlig unverändert in Betrieb, beispielhaft die FK-Trasse 4. Warum auch nicht, an den physikalischen Parametern und diesbezüglichen Standards hat sich ja nichts geändert. Man hat ja auch nicht die Erdöl- und Erdgasleitungen aus der Erde gerissen, nur weil sich da ein politisches System änderte. (Klar, es sind Unmengen an Glasfaser-Fernkabeln dazugekommen.)

Und da es so ist wie es ist, sind auch die Schaltpunkte und Übertragunggstellen noch immer genau dort, wo die DDR sie hinpflasterte. Im Großraum MD zum Beispiel einen richtig schicken Tiefbunker. Oder bei mir um die Ecke eine ÜSt-2 und eine ÜSt-8 - beiden geht es ganz prächtig.

Das einige ÜSt-2 außer Betrieb gingen, liegt doch eher daran, dass der vorrangige Bedarf in der märkischen Pampa nicht mehr gegeben ist und dass man da auch kein Westberlin mehr "umfahren" muss. Den anderen geht es mit neuer Technik ganz prima. Der Eindruck täuscht insoweit etwas: Wir haben nur die außer Betrieb gegangenen ÜSt im Auge, die in Betrieb befindlichen verbieten sich nach hiesigen Regeln der Diskussion. Da kann man schon mal einen falschen Eindruck bekommen.
 
Moin Moin,

in #1 ist die Rede von S1 und SBZ = Sondernetz 1 und Schalt-und Betriebszentralen (Üst5) . Also ZfSB MfNV/NVA.
Verwirrend ist der Bezug in #1 auf ein umfangreches Kabelnetz. Denn das S1 hatte kein eigenes Kabelnetz. Alle Übertragungsstrecken waren bei Post gemietet. Hatte dazu jetzt extra noch den Ex Leiter Schaltbefehlsstelle ZfSB ( Major F.) befragt. Er verneinte eigene Fernübertragungskabel.
Nach 1990 befristet weiter betrieben. Dann zu in Teilen zu GSVBw umgenutzt.... und sugzessive die Anzahl dem Truppenabbau angepasst, bis nur noch Eine für Ostdeutschland übrig war. Aber die dürfte inzwischen auch schon Geschichte sein. Denn die Buwe telefoniert mittels IP-Telefonie und der Vermittlungsechner stand viele Jahre im Keller Gebäude89 in Eggersdorf/Strausberg.
Die Bedarfsträger außerhalb der Armee flogen Herbst 1990 gnadenlos raus. Selbst Objekte ohne Weiterverwendung in der Buwe wurden gekappt und Miet-Leitungen gekündigt.
Die DDR-Technik kam komplett auf den Müll. Gebäude- z.Bsp. NZ24 Berlin standen bisher leer und verrotteten. Einige Gebäude fanden zivile Nachnutzer.
Soweit erst einmal.
 
Bis Ende 1990 hatten NVA Strukturen und Verfahren "Bestandsschutz".
Die Übernahme zur Bundeswehr als GSVBw gestaltete sich:
Wie:
NZ-3 /SBZ Leipzig zur GSVBw 70
NZ-4/SBZ Neubrandenburg zur GSVBw 90
NZ-5/SBZ Potsdam zur GSVBw 80
NZ-6/SBZ Stralsund zur GSVBw 81
NZ-64/SBZ Rostock zur GSVBw 87

Der Rest ( bis auf eine NZ im Süden) war nicht übernahmefähig.
 
Zuletzt bearbeitet:
alles sehr interessant und darüber hinaus aeusserst frustrierend... ich habe nach 89 einige gespräche mit den verantwortlichen des katastrophenschutzes meiner heimatstadt führen dürfen und auf die frage nach den dringenden "blitz"gesprächen via OB-Verbindung zur Bundes- und Landesregierung bzgl. nahrungsmittel- und energieversorgung oder sicherstellung der entsorgung von allem möglichen einer 1/2 Millionenstadt nur ein ratloses Schulterzucken geerntet... auch im bereich der deutschen bahn, für den ich heute im bereich leit-und sicherungsrechnik tätig bin, sind solche, das krisenmanagement betreffende themen nur spinnert-weltfremde phantastereien... von der natur oder den menschen verursachte krisen kommen in den unternehmensstrategien einfach nicht vor. wir aber wissen es besser, denk ich mal. ich bin bekennender freund kupferbasierter "primitiver" kommunikation und halte die verlagerung der informationswege zur sicherstellung der daseinsfürsorge ins internet oder ins funknetz für sträflichen leichtsinn... der zeitgeist halt, alle müssen erst aus den angriffen auf oder dem versagen des gewählten mediums lernen... das kupfer zumindest lag resp. liegt, von der bevölkerung bezahlt, relativ sicher in der erde...

danke euch für das forum

und verbleibe

Kunstseide942
 
Ich bezweifle mal einfach die zuständigkeit der deutschen post/telekom
nach aussage des damaligen zuständigen offiziers der abt 2000 (spionageabwehr/MfS) lag die alleinige zuständigkeit und der besitz des netzes in den händen der NVA...
Warum auch immer, MfS, MdI, Bezirks,- und Kreisleitungen der SED waren nur "Kunden", im damalgen jargon sonderbedarfsträger...
wir haben uns im rahmen der wartungs- und entstörtätigkeiten oft genug auf bestehende gespräche aufschalten müssen (entgegen landläufiger meinungen ohne knack., knister. und rauschgeräusche)... die ATZ 65A/N war das war das fortschrittlichste, was die Technik vor digitalen NST- OVST mzu bieten hatte und das Mithören war
a - grottenlangweilig und b nicht zu bemerken, weil hochohmig....
 
Im übrigen halte ich das verlagern von kernkompetenzen der für die sicherstellung der für die öffentliche daseinsfürsorge nötigen Kommunikation (Deutsche Bahn, Enegieversorgung, Feuerwehr, Polizei etz.pp.) ins internet oder in den funknetzraum für fahrlässig oder strafbar. als bekennender kupferfreund verurteile ich jegliche versuche, das mit erheblichen, vom steuerzahler aufgebrachten mitteln erworbene eigentum an Kupfer(fern)leitungenfür null und lall und gegen eine unausggorene, angreifbare technologie zu verschleudern. meine OB-Telefonapparate zu Hause funktionieren mit einer 1,5 V Batterie und einer Kupferader gegen Erde über zig Kilometer ohne Problem...
 
Eine Frage an kunstseide942:
Die Koaxkabel, und die heutigen Glasfaserkabel, kennst du auch? Die liegen am gleichen Ort wo das Kupfer lag,oder immer noch liegt.

Gruss
Varga
 
Hallo Varga,
ob wir damals Koaxkabel hatten, kann ich Dir nicht sagen, aber nach meiner Erinnerung nicht, wozu auch.
Mit TF 240 und PCM xx waren auch so ausreichende Übertragungskapazitäten möglich.
Glasfaser hab ich im Studium an der DP-Hochschule Leipzig kennelernen dürfen aber, leider nein, wir hatten m.W. keine im realen Betrieb der SBZ.
Sicher gab es auch in unserem Bereich Versuche mit diesem und jenem (wie mit dem unix-basierten, abgekupfterten 16-bit - System P8000)
aber Du weißt, wie lange so etwas getestet werden muß um wirklich hilfreich und hinreichend sicher in kritischen Umgebungen eingesetzt werden zu können.
Was heute da liegt, vermag ich nicht zu sagen, meine Vorredner haben dazu ja einiges gemutmaßt...

Es grüßt Dich hochachtungsvoll

die Kunstseide942
 
Was heute da liegt, vermag ich nicht zu sagen, meine Vorredner haben dazu ja einiges gemutmaßt...
Im Forum sind mehr Leute, die von der Materie Ahnung haben - als Du ahnst. Keine Mutmaßungen, jedenfalls meinerseits.

Daher ist auch den Mutmaßungen zu widersprechen, dass systemkritische Strukturen ins Internet verlegt worden seien. Und die Leute, die sich mit dem Thema befassen, wissen im Allgemeinen schon, was sie tun und verantworten.
 
1. Für alle Freunde von alter Cu-Technik und OB Telefonen. Ich habe noch einige Kilometer LFL, LFK u.a. , sowie viele FF, OB62, WSG, KSS, DVG, Funktechnik mit Überleittechnik u.a.m. auf Lager und bin im Katastrophenfall gern bereit auszuhelfen. Gern auch mit Stromerzeugern und Beleuchtungstechnik.....
2. Ist mir nicht bekannt, das alle Leitungsweger im S1 Postmiet waren. Es gab SOK im S1 die auch dafür genutzt wurden. Meines Wissens war es eine Mischung von Postmiet und Bedarfsträger eigenen Leitungen. Je nach (zeitlicher und ökonomischer) Möglichkeit.
3. Sind die alten Haupt-Cu-Trassen, egal ob Tube/ Koax oder Vierer, zumindest als "Fernkabel" ausser Betrieb. Ich kenne nur wenige Fälle in denen alte TF-Kabel jetzt quasi als Teilnehmeranschlussleitung fungiereren.
PS.: Da ich aber längst nicht alles weiß ist das nur mein Kentnissstand.
gerd
 
Tja- @gerd ist schon ein kleiner Fernmeldefuchs.
Aber die SOK waren Teilstrecken zum Endnutzer und die Leitung selbst und waren POxxxxx PNxxxxxx... TGPO...... - ergo Postmiet.
Die eigenen Leitungen trugen die Buchstabenkennzeichnung IF....... und IT.... und IWT...waren in der Regel auf Postmiet-Primärgruppen oder bei "eigenen" Primärgruppen war die tragende Sekundärgruppe eine Postmiet..
Die Sachen mit MfS, das war ein anderes separates Netz und unterlag nicht der Medienführung des S1. Wenn MfS dort etwas kreuz und quer geschalten hat, dann war die Sache eine interne Lösung.
Schon ab Planungsphase war ein Arbeitsgremium eingesetzt, in dem alle Bedarfsträger und ZfSB und ZFN paritätisch vertreten waren. Dort in der Arbeitsgruppe waren dann die technischen Abläufe, Technikeinbau wo und wann, welche Vermittlungsstelle wann in Betrieb ging und wo Endnutzer der Bedarfträger aufgeschalten wurden.... befristet als Übergangslösung oder Endlösung..... usw. besprochen wurden. Ich durfte auch teilnehmen.
Die Treffen fanden periodisch bs 1990 statt.
Außerdem war ich ja bei den S1-Anbindungen unserer Dienststellen ständig involviert. Nicht nur informativ sondern auch praktisch weil ich den Schaltauftrag schrieb.
Mithin sinds keine Mutmaßungen.
Aber im Net sind auch andere Ehemalige aus SBZ unterwegs. Die Kollegen Offiziere a.D. oder Fähnriche a.D. kennen dann auch andere Details.
Immerhin war das S1 unterteilt in Obere Netzebene, Mittlere Netzebene und Untere Netzebene.
 
Zuletzt bearbeitet:
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