Raketentruppen: Bereitschaftsstufen

Hallo Frank,

was ist ein "Iso-Container"? Hast Du schon mal einen GK-Container für sowjetische Kern-GK, die für Kurzstreckenraketen bestimmt waren, gesehen?

Für die Kern-GK gab es Nutzungsvorschriften ("Instruktionen"). Diese sahen zur Sicherung der projektierten Parameter des Gefechtskopfes auch die Einhaltung bestimmter klimatischer Bedingungen vor - bei älteren GK-Generationen sehr restriktive, bei neueren GK-Generationen relativ großzügige. Jedenfalls ist da auch festgelegt, wie lange sich ein Kopf außerhalb des festgelegten Norm-Regimes befinden darf. Einen OKA-GK in seinem Container hättest Du also bei durchschnittlichem mitteleuropäischen Klima auch auf der verplanten Ladefläche eines LKW Ural-375D in die technische Stellung der Raketenabteilung karren können. Bei den Kern-GK der zweiten Generation für die Rakete 8K14 (Ladung 269A in der Hülle 8F14) wäre das nicht empfehlenswert gewesen. Die Nutzungsbestimmungen für die Kern-GK der vierten Generation für die Rakete 8K14 (Ladung RA-104 in der Hülle 9N33-1) habe ich nie zu Gesicht bekommen. Bekannt ist aber, dass sich das klimatische Norm-Regime für die Kern-GK der dritten Generation (Ladung RA-17 in der Hülle 9N33) von dem der zweiten Generation unterschied.

Zur Verdeutlichung der Vielgestaltigkeit der Probleme bei der Lagerung mal ein Beispiel aus dem Bereich der Raketentechnik:

Damit die Raketenbrigade relativ schnell einen ersten Start durchführen konnte, wurde das optimale Lagerregime für den bereits in Friedenszeiten in der Nähe der Startrampen in einer klimatisierten Halle auf RTF gelagerten Träger 8K14 gesucht. Die Arsenal-Bereitschaftsstufe 7 fiel da schon mal aus. Die Bereitsschaftsstufe 5 (betankt) fiel wegen der Korrosionswirkung einer Treibstoffkomponente auch aus. Blieb also die dazwischen liegende Bereitschaftsstufe 6. Hier gab es aber auch ein Problem. In der BS-6 musste der Druck in den Druckluftflaschen der Rakete 160 kp/cm² betragen. Die Nutzungsvorschriften des Herstellers hätten unter diesen Bedingungen eine Lagerzeit von einem Jahr zugelassen. Denn die Struktur des Metalls, aus dem eine Druckluftflasche bestand, veränderte sich mit der Zeit. Und je höher der Druck desto eher musste die Rakete entweder gestartet oder aus der BS genommen werden. Ein Jahr war aber für die auf Dauer angelegte Lagerung in der Raketenbrigade viel zu wenig. Also wurde die sog. Auftankbereitschaft erfunden. Der Druck in den Flaschen der Rakete war in der ATB auf 125 kp/cm² abgesenkt. Und schon konnte die Rakete zuletzt bis zu 22 Jahre in diesem Zustand verbleiben. Allerdings mussten in regelmäßigen Abständen Regelarbeiten zur Aufrechterhaltung der ATB durchgeführt werden. So mussten nach einer gewissen Zeit z. B. das elektro-pneumatische Ventil, die Kreisel, das Schmierfett im Zeitlaufwerk gewechselt werden.

In der Ausbildung wurde gelehrt, dass die Rakete 8K14 nicht in Bereitschaftsstufen über der 7 mit dem Flugzeug transportiert werden darf. Das hing meines Wissens u. a. mit der ab BS-6 eingebauten Bordbatterie und den Druckverhältnissen zusammen. Trotzdem sollen beim Masseneinsatz von 8K14 in der Schlacht um Dschalalabad (1. Jahreshälfte 1989) die Raketen fertig betankt und montiert (BS-4) mit Transportflugzeugen nach Afghanistan eingeflogen worden sein.
Ein klarer Verstoß gegen die Nutzungsvorschriften! Dennoch flogen die Vögel.

Falls ich langweile, bitte melden!

Gruß, Nelson
 
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In der Ausbildung wurde gelehrt, dass die Rakete 8K14 nicht in Bereitschaftsstufen über der 7 mit dem Flugzeug transportiert werden darf. Das hing meines Wissens u. a. mit der ab BS-6 eingebauten Bordbatterie und den Druckverhältnissen zusammen. Trotzdem sollen beim Masseneinsatz von 8K14 in der Schlacht um Dschalalabad (1. Jahreshälfte 1989) die Raketen fertig betankt und montiert (BS-4) mit Transportflugzeugen nach Afghanistan eingeflogen worden sein.
Ein klarer Verstoß gegen die Nutzungsvorschriften! Dennoch flogen die Vögel.

Falls ich langweile, bitte melden!

Gruß, Nelson

Keineswegs, schließlich kennt das Forum hier niemanden außer Dir der derart gut im Stoff steht! Habe das mit den sowj. Raketenparkabteilungen leider nicht vollständig verstanden. Du hattest die deutsche Entsprechung dargestellt. Bei dem einen Satz verstand ich Dich so als wenn diese beiden Einheiten gar keine Träger hatten und eigentlich auch nur ganz wenig Personal?
 
was ist ein "Iso-Container"? Hast Du schon mal einen GK-Container für sowjetische Kern-GK, die für Kurzstreckenraketen bestimmt waren, gesehen?

Du hattest den Finger schon zielführend wieder auf der richtigen Stelle :tennis: Nein, habe ich nicht. In meinem 'früheren' Leben war ich in die Theorie zur Sache der eigentlichen Wirkung direkt involviert. Ich habe in meinen 'späteren' Leben Container gesehen und muss nat. zur Kenntnis nehmen, was da am Schild steht. Du hast es ja inzwischen punktgenau demonstriert. Ich meinte die Frage etwas allgemeiner, sie steht immer noch im Raum. Entsprechend deinem Beitrag #36.

Für @JT » er ist einer der Mitautoren (vllt mehr im Hintergrund) des 'großen Buches'. Wenn das hoffentlich so erlaubt & halbwegs stimmig ist als Formulierung.

Grüße Frank
 
@Nelson / All: ich finde das Thema der Bereitschaftsstufen überaus interessant und habe die Beiträge in diesen separaten Beitrag kopiert, damit wir die verschiedenen Stadien vielleicht strukturiert aufarbeiten können und es nicht in einem großen Thema untergeht.

Danke für den spannenden Beitrag und Beste Grüße
Martin
 
Ein kleiner Einblick in die Anleitung A 050/1/106 "Rakete 8K14 - Nutzung", ehemals Geheime Verschlusssache, Ausgabejahr 1988 (die möglich Aufbewahrdauer in der Auftankbereitschaft wurde durch Rundschreiben der GRAU sukzessive von 15 auf zuletzt 22 Jahre angehoben):
 

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Ein kleiner Einblick in die Anleitung A 050/1/106 "Rakete 8K14 - Nutzung"

Hallo Nelson,
interessantes Dokument, danke für den Einblick. Beim Lesen (in den Abschnitten zu BS 2 und BS1 ist ja das HSS erwähnt) fiel mir eine Frage zum HSS wieder ein, evtl. kann Dein Dokument da weiterhelfen. Und da es hier im gewissen Sinne um Luftdruck geht wie auch in Deinem Beitrag #1, entfernen wir uns nicht mal weit vom Thema :)

Frage lautet, gibt es bzw welches ist der Unterschied zwischen der babyblauen und der rosa Version von 1SB24?

Danke, M.
 

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Nettes Bild! So farbenfroh! Und sogar der Nippel vom Einlassstutzen wurde schon abgenommen! Im Internet gefunden? Oder selbst geschossen?

Zur Frage: Mein Dokument kann da nicht weiterhelfen. Den NVA-Vorschriften scheint die Farbe der Kabel im Block der Höhenrelais absolut egal zu sein. Den originalen Vorschriften offenbar auch (siehe Anhang)...
 

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Nettes Bild! So farbenfroh! Und sogar der Nippel vom Einlassstutzen wurde schon abgenommen! Im Internet gefunden? Oder selbst geschossen?
Hallo Nelson,
selbst geschossenes Bild, auf dem Original liegt daneben noch 1SB23 (für mein Verständnis eine Art "elektromechanische Rechenmaschine") das ich der Übersicht halber weggeschnitten habe.

Zur Frage: Mein Dokument kann da nicht weiterhelfen. Den NVA-Vorschriften scheint die Farbe der Kabel im Block der Höhenrelais absolut egal zu sein. Den originalen Vorschriften offenbar auch (siehe Anhang)...
Jetzt wo ich das lese (Benennung der Relais mit I-IV) fällt mir schon wieder was ein, die sind tatsächlich handschriftlich mit I-IV bezeichnet, plus jeweils einer Zahl. Werde morgen mal das Originalfoto raussuchen und nachsehen, ob die sich evtl. bei den beiden Geräten unterscheiden.

Gruß M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Nelson,
selbst geschossenes Bild, auf dem Original liegt daneben noch 1SB23 (für mein Verständnis eine Art "elektromechanische Rechenmaschine") das ich der Übersicht halber weggeschnitten habe.


Jetzt wo ich das lese (Benennung der Relais mit I-IV) fällt mir schon wieder was ein, die sind tatsächlich handschriftlich mit I-IV bezeichnet, plus jeweils einer Zahl. Werde morgen mal das Originalfoto raussuchen und nachsehen, ob die sich evtl. bei den beiden Geräten unterscheiden.

Gruß M.

Hallo @Maus,

also das Gerät 1SB23 ist eher ein Schaltkasten als ein Rechengerät. Je nach eingegebener Betriebsart des Havariesprengsystems wurden in ihm Relaiskontakte so geöffnet oder geschlossen, dass bestimmte Signale der Lenkeinrichtung vollständig, teilweise oder gar nicht zur Havariesprengung führten.

Wo kann man denn so etwas "Feines", wie die beiden 1SB24, fotografieren? Falls Du auch ein Foto vom 1SB23 hast, wäre ich Dir für das Einstellen desselben sehr dankbar.

Gruß, Nelson
 
Für die Kern-GK gab es Nutzungsvorschriften ("Instruktionen"). Diese sahen zur Sicherung der projektierten Parameter des Gefechtskopfes auch die Einhaltung bestimmter klimatischer Bedingungen vor - bei älteren GK-Generationen sehr restriktive, bei neueren GK-Generationen relativ großzügige. Jedenfalls ist da auch festgelegt, wie lange sich ein Kopf außerhalb des festgelegten Norm-Regimes befinden darf. Einen OKA-GK in seinem Container hättest Du also bei durchschnittlichem mitteleuropäischen Klima auch auf der verplanten Ladefläche eines LKW Ural-375D in die technische Stellung der Raketenabteilung karren können. Bei den Kern-GK der zweiten Generation für die Rakete 8K14 (Ladung 269A in der Hülle 8F14) wäre das nicht empfehlenswert gewesen. Die Nutzungsbestimmungen für die Kern-GK der vierten Generation für die Rakete 8K14 (Ladung RA-104 in der Hülle 9N33-1) habe ich nie zu Gesicht bekommen. Bekannt ist aber, dass sich das klimatische Norm-Regime für die Kern-GK der dritten Generation (Ladung RA-17 in der Hülle 9N33) von dem der zweiten Generation unterschied.

Danke @Nelson. Kann das irgendjemand präzisieren? Für die R-5M-Zeit gibt es die Angaben (a) Temperatur zwischen plus 5 und plus 15 Grad C sowie (b) Luftfeuchtigkeit maximal 70 Prozent.

K.
 
Das hing ausschließlich mit der integrierten Elektronik und den verwendeten Sensoren für die Höhen-/Lage- und letztendlich dem Auslösemechanismus zusammen. Da alles voreingestellt war (vor allem am Anfang) mussten die Bedingungen konstant gehalten werden. Gerade die Höhensensoren waren da am Anfang sehr sensibel.

Grüße Frank
 
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