Pervomaysk: Raketensilo-Museum / Museum of Strategic Missile Troops / SS-24 Scalpel

Wurde eigentlich schon mal die sog. Kalt- und Heißstartverfahren und folglich die mögliche Wiederverwendung für einen zweiten Schuss thematisiert?
Damals (SOVIET MILITARY POWER - 1983) ging man laut Quelle davon aus das die SS-19 das Heißstartverfahren nutzte:
Chapter II - Strategic Forces
http://www.fas.org/irp/dia/product/smp_83_ch2.htm
ICBM Reload Capability: The Soviets have contingency plans for reloading and refiring ICBMs from launchers that already have been used to fire an initial round. The cold-launch technique employed by the SS-17 and SS-18 lends itself to such a reload capability. Additionally, all currently deployed liquid-propellant ICBMs - SS-ll, SS-17, SS-18 and SS-19 - are contained in a launch canister within the silo. This and the silo design minimize damage to the launcher during the initial firing and give the Soviets the capability to reload each of these launchers. The Soviets probably cannot refurbish and reload silo launchers in a period less than a few days; nevertheless, they believe that this capability is of significant value because they anticipate that a nuclear war might be protracted. The Soviets have made provisions for the delivery of reserve missiles, warheads and propellants to ICBM complexes for reload purposes. None of these extra missiles or warheads are counted under SALT agreements. Only the launchers are counted.
 
1.600 Silos in nicht einmal 10 Jahren! Eine recht beeindruckende Leistung.
Dabei darf man nicht vergessen, dass in diesem Zeitraum fast der gesamte Wohnungsbau in der SU zum Erliegen kam, d.h. auf ein Minimum heruntergefahren wurde (Wegen Material und Personalproblemen). Dies wurde uns von Fachleuten 1989 in der SU während eines Lehrgangs (zur technischen Nutzung von SBW) erläutert.
 
Wurde eigentlich schon mal die sog. Kalt- und Heißstartverfahren und folglich die mögliche Wiederverwendung für einen zweiten Schuss thematisiert?
Damals (SOVIET MILITARY POWER - 1983) ging man laut Quelle davon aus das die SS-19 das Heißstartverfahren nutzte:
Chapter II - Strategic Forces
http://www.fas.org/irp/dia/product/smp_83_ch2.htm

Immer wieder schön, diese neuartige Version von Grimms Märchen! Aber der Reihe nach...

1. In der von Dir zitierten Quelle heißt es sinngemäß, dass die sowj. ICBM der Typen SS-11, SS-17, SS-18 und SS-19 in Startcontainern in die Silos eingebracht wurden, dass deshalb nur geringe Schäden am Silo beim "initialen" Start verursacht worden wären und somit eine Nachladefähigkeit des Silos gegeben war. Deine Frage geht aber offensichtlich von der Annahme aus, dass das Startverfahren - also "heiß" bzw. "kalt" - entscheidend für die mögliche Wiederverwendung war. Vermutlich bist Du der irrigen Ansicht, dass der Start einer ICBM aus einem Startcontainer gleichbedeutend mit einem "Kaltstart" ist. Dem ist aber nicht so. Die SS-11 und die SS-19 wurden in einem Startcontainer geliefert, in einem solchen im Silo gelagert und aus diesem Container "heiß" (d. h. unter Nutzung der Triebwerke ihrer ersten Stufe) gestartet. Man braucht sich nur mal den Kopf eines SS-11- oder SS-19-Silo ansehen ( http://en.rian.ru/images/11887/69/118876903.jpg ), dann wird sehr schnell klar, dass im Silo ein sehr aufwändig gestaltetes Abzugssystem für die heißen Abgase des Triebwerks installiert ist.

2. Im Gegensatz zum "heißen" Start der SS-11 und der SS-19 starteten die SS-17 und die SS-18 "kalt". D. h., zunächst wurde mit Hilfe eines sog. Pulverdruckakkumulators durch die Rakete ein sog. "Granatwerferauswurf" aus dem Startcontainer und damit zugleich aus dem Silo vollführt und dann erst (bis zu 10 m über dem Silokopf) zündete das Triebwerk der ersten Stufe. Wird dabei das Silo weniger beansprucht als beim "Heißstart"? In der Tat! Wurden also die SS-17 und die SS-18 entwickelt, um Kolja nachladbare Silos zu bescheren? Nö! Die Art des Starts hat mit der Wiederverwendbarkeit der hochgeschützten Silos aus der zweiten Hälfte der 1970er und der ersten Hälfte der 1980er Jahre zunächst überhaupt nichts zu tun. Der wahre Grund soll am Beispiel SS-17/SS-19 erläutert werden. Beide Raketen wurden entwickelt, um die SS-11 abzulösen. Sie waren - doch, doch, so etwas gab es auch in der Planwirtschaft des sowjetischen militär-industriellen Komplexes - Konkurrenzprojekte. Die SS-19 kam mit einem dickeren Gefechtskopf daher (6fach MIRV). Die SS-17 war anderthalb mal leichter als die SS-19, hatte aber auch nur einen 4fach MIRV-Gefechtskopf. Die sonstigen Leistungs-Parameter waren in etwa gleich. Und weshalb wurden am Ende beide Raketen gebaut? - Weil die SS-19 zwar die besseren Gefechtseigenschaften und gute Modernisierungsmöglichkeiten besaß. Die Anpassung der SS-11-Silos an diese Rakete erforderte wegen der Dimensionen und des Startverfahrens der SS-19 aber einen dreifach höheren Aufwand an Zeit und Material als bei der nicht ganz so kampfstarken SS-17. Ganz wesentlich zur Kostensenkung trug bei der SS-17 die Tatsache bei, dass eben kein aufwändiges System der Abgasführung innerhalb des Silos benötigt wurde. Bei der SS-18, die in die Silos der SS-9 einziehen sollte, spielten ähnliche Überlegungen eine Rolle.
Und weil die Gebrüder Utkin also bereits recht früh diese Kaltstarttechnologie beherrschen lernten, war es für sie auch kein Problem die SS-24 mod 2 des Eisenbahnraketenkomplexes ein besonders schwieriges Startverfahren hinlegen zu lassen. Der Startcontainer der SS-24 mod 2 wurde ja in einem Eisenbahnwaggon transportiert. Beim Start der Rakete hätte der Abgasstrahl der Raketentriebwerke auch bei dem ohnehin geplanten "Kaltstart" voll den Startwaggon und möglicherweise auch den benachbarten Waggon mit der vollen Kraft von über 200 Tonnen Schub getroffen. Das hätte den Waggon und mit ihm den ganzen Zug vermutlich zumindest fahruntüchtig gemacht. Also "steppte" die SS-24 mod 2 nach dem "Granatwerferstart" aus dem Startcontainer zunächst ganz kurz zur Seite, der Abgasstrahl des zündenden Triebwerks der ersten Stufe ging neben die Gleise und der Startwaggon hätte in der Tat nachgeladen werden können. Aber...

3. Witzigerweise wird das "Nachladeargument" noch heute verwendet, um massive Kritik an den aktuellen Abrüstungsverträgen zu äußern. Eine - speziell zu Deiner Frage - ganz hervorragend passende Gegenargumentation findet sich auf einer der seriösesten Internet-Seiten zum Thema RWSN -> http://russianforces.org/blog/2010/04/new_start_on_rail-mobile_icbms.shtml .

4. Die offizielle Bezeichnung der Silos für die SS-11, SS- 17, SS-18 und SS-19 war und ist Шахтные пусковые установки (ШПУ) одиночного старта. Warum wohl?
 
Nelson,
könntest du noch etwas zur erschwerten Navigationsproblematik beim Kalt/Auswurfstart sagen. Es sind ja einige Aufnahmen bekannt. Das System ist u.U. danach, also vor dem Triebwerkstart, nicht mehr im Lot. Das muß doch eine andere Qualität an die Anforderung darstellen ?

Grüße Frank
 
Sag mal Nelson, willst Du damit sagen das die westliche Argumentation das Kaltstart-Silos geschaffen wurden um einen 2. Schuss abzufeuern tatsächlich so etwas wie ein Grimm-Märchen war und somit gar nicht zutrifft? Ich versuche gerade nachzulesen ob diese Sache "Kaltstart=Nachladefähigkeit" in SOVIET MILITARY POWER noch bis Ende der 1980er-Jahre kolpotiert wurde.
Meiner Meinung nach dienten die Startcontainer dem Zweck des besseren Umgangs der betreffenden Raketen beim Transport, beim einsetzen und heraus nehmen aus dem Silo und auch der Möglichkeit die Raketen in ihrem Startcontainer erschütterungsarm im Silo abzustützen/aufzuhängen.

Also "steppte" die SS-24 mod 2 nach dem "Granatwerferstart" aus dem Startcontainer zunächst ganz kurz zur Seite, der Abgasstrahl des zündenden Triebwerks der ersten Stufe ging neben die Gleise und der Startwaggon hätte in der Tat nachgeladen werden können. Aber...
Interessant! Bitte setze mal Deinen mit "Aber ..." begonnen Satz fort.

@moses,
erzähl mal bitte mehr dazu!
 
Nelson,
könntest du noch etwas zur erschwerten Navigationsproblematik beim Kalt/Auswurfstart sagen. Es sind ja einige Aufnahmen bekannt. Das System ist u.U. danach, also vor dem Triebwerkstart, nicht mehr im Lot. Das muß doch eine andere Qualität an die Anforderung darstellen ?

Grüße Frank

Es gibt irgendwo einen Film im Internet, in dem die Startvorbereitung einer SS-5 (R-14) zu sehen ist. Gezeigt wird u. a., wie die aufgerichtete Rakete mit dem drehbaren Oberteil des Starttisches in die Schussrichtung zum Ziel gedreht wird. Damit wird die Kreiselplattform im Innern der Rakete so ausgerichtet, dass die Rotationsachse des für die Kontrolle des Längsneigungswinkels der Rakete verantwortlichen Kreisels genau zum Ziel zeigt. Dieses Prinzip kam bereits bei der A4 (V2) zum Einsatz (http://www.v2rocket.com/start/makeup/sci12.jpg ). Auch die OTR SCUD-B wurde auf diese Weise nach der Seite gerichtet. Bei der Verlagerung der Raketen in Silos (z. B. R-14U) blieb das Richtverfahren zunächst unverändert. Im Silo befand sich ein Starttisch, dessen oberer Teil drehbar war. Auch die ICBM SS-7 (R-16U) machte da keine Ausnahme ( http://rbase.new-factoria.ru/sites/default/files/missile/p16/sheksna.jpg ). Allerdings kam bei der SS-7 bereits eine technische Neuerung zum Einsatz, die das Richtverfahren grundsätzlich verändern sollte. Und zwar verfügte die R-16U erstmals über eine kreiselstabilisierte Plattform, auf der die eigentlichen Messglieder angebracht waren. Die Plattform, auf der die Messkreisel angebracht waren, war also nicht mehr starr mit der übrigen Konstruktion der Rakete verbunden. Sie konnte vielmehr selbst gedreht werden. Mit Hilfe der kreiselstabilisierten Plattform konnte man der Rakete ein von der Lage der übrigen Teile der Rakete unabhängiges Koordinatensystem im Verhältnis zum Fixsternhimmel vorgeben. Im Bild hier -> http://www.rwd-mb3.de/pages/9m714e.htm ist die Kreiselplattform der OTR SS-23 (OKA) abgebildet. Diese Plattform wurde vor dem Start innerhalb der Rakete so gedreht, dass sie auf das Ziel ausgerichtet war. Die Rakete selbst konnte nach dem Anheben auf der Startschiene getrost 90° quer zum Ziel stehen. Hatte die Rakete die Startschiene erstmal verlassen, dann bewirkten Kommandos, die ihren Ausgangspunkt in den Lageinformationen der Kreiselplattform hatten, dass sich die Rakete in die Ebene zum Ziel drehte. Kurz gesagt – bei der SS-7 musste der Raketenkörper bereits vor dem Start in die richtige Richtung zeigen, bei der SS-23 (und auch bei der SS-24 mod 2 des Eisenbahnraketenkomplexes) wurde der Raketenkörper erst nach dem Start in die richtige Richtung gedreht.
Möglicherweise hat sich ja der eine oder andere User schon mal über das eigenartige Bauteil an der rechten vorderen Seite von SS-20- oder SS-25-Startrampen gewundert (http://militaryrussia.ru/forum/down...id=412e4f6a5b9d28fe0047e7d85591decd&mode=view ). Dieses absenkbare Teil (im Bild hinter der rechten vorderen Kabine) ist der Azimutkreisel, der es ermöglicht, die Kreiselplattform der Rakete in der erforderlichen Weise gegenüber dem Fixsternhimmel auszurichten. In den Silos der ICBM gibt es ganz ähnliche Geräte, die über Digitalrechner laufend Informationen zur tatsächlichen Lage der Kreiselplattform an die Lenkeinrichtung der Rakete übermitteln.
Ist die Kreiselplattform erstmal exakt ausgerichtet, dann ist es egal, ob die Rakete nach dem Verlassen des Startcontainers mit dem Heck seitwärts „steppt“ oder mit der Spitze taumelt. Die Messglieder der Kreiselplattform registrieren auch die kleinste Abweichung in der Lage der Rakete und erarbeiten entsprechende Korrekturkommandos, sobald die Raketentriebwerke genug Schub erzeugen und die Steuerorgane (schwenkbare Düsen, gitterförmige Luftruder) ausreichend wirksam sind.
Natürlich stellt der „Kaltstart“ einer ICBM hohe Anforderungen an die Genauigkeit des Lenksystems der Rakete. Mit der Technologie der 1980er Jahre erreichten allerdings sowohl die amerikanische LGM-118 PEACEKEEPER als auch die sowjetische SS-24 SCAPEL, die beide „kalt“ starteten, absolute Spitzenwerte in der Treffgenauigkeit ihrer jeweils bis zu 10 MIRV-Gefechtsköpfe.
 
Möglicherweise hat sich ja der eine oder andere User schon mal über das eigenartige Bauteil an der rechten vorderen Seite von SS-20- oder SS-25-Startrampen gewundert (http://militaryrussia.ru/forum/down...id=412e4f6a5b9d28fe0047e7d85591decd&mode=view ). Dieses absenkbare Teil (im Bild hinter der rechten vorderen Kabine) ist der Azimutkreisel, der es ermöglicht, die Kreiselplattform der Rakete in der erforderlichen Weise gegenüber dem Fixsternhimmel auszurichten.
Dazu gibt es hier im Forum sogar schon eine - damals noch mit etwas Polemik behaftete - Diskussion - irgendwas mit einem unbekannten "Topf" - Gut das Du es aufgelöst hast. Die Diskussion ging noch weiter, eine Sockel direkt daneben mit irgendwas drauf:
http://forum.hidden-places.de/showthread.php/2052-ICBM-Russ-Videos-bei-Youtube
 
Nelson,
vielen Dank für die Erklärung der komplexen Zusammenhänge. Was nützen einen Abbildungen von Kreiselplattformen wenn das Gesamtwirken nicht klar ist. Wobei es gerade hier toll ist, die Bilder zur Verfügung zu haben.

Eine Nachfrage zu den Azimutkreiseln » wie hat man die 'eingenordet'. An Fixsternen ? geht am Tage kaum. Waren die vorjustiert als Einheit und wurden regelmäßig nachjustiert / kontrolliert auf Genauigkeit ? Kreisel heißt ja, die liefen schon und waren voreingestellt. Richtig ?

Stefan,
in dem von dir zitierten Thema ging es um ein anderes Podest bzw. überhaupt um Eines. Das Kreiselsystem selbst ist offensichtlich in einem Beitrag auch zu sehen.

Grüße Frank
 
Sag mal Nelson, willst Du damit sagen das die westliche Argumentation das Kaltstart-Silos geschaffen wurden um einen 2. Schuss abzufeuern tatsächlich so etwas wie ein Grimm-Märchen war und somit gar nicht zutrifft? Ich versuche gerade nachzulesen ob diese Sache "Kaltstart=Nachladefähigkeit" in SOVIET MILITARY POWER noch bis Ende der 1980er-Jahre kolpotiert wurde.

Der entscheidende Satz im verlinkten Block lautet:
"And there is no shred of evidence that would suggest that the Soviet Union ever contemplated either fighting a protracted nuclear war or decontaminating and reloading its ICBM launchers in the process. (There may have been plans, however unrealistic, to reload submarines, though.)"

Ich gehe davon aus, dass zumindest als vorgebliche Art des initialen Einsatzes der strategischen Raketen der USA und der UdSSR das Counterforce-Profil war. Also Schläge gegen die strategischen Raketen der Gegenseite. Damit ein Silo eine Nachladekapazität besitzt, mit der man rechnen kann, muss es also nicht nur den ersten Start der eigenen Raketen gut abkönnen. Es muss auch einen etwaigen Schlag des Gegners aushalten können. Welches Silo einen Schlag des Gegners übersteht, ist im Vorfeld schlecht zu sagen. Mit Härtungsmaßnahmen kannst Du nur die Wahrscheinlichkeit des Überlebens erhöhen. Bei einem direkten Treffer ist das Silo hin - egal, ob gehärtet oder nicht. Wenn Du also 308 SS-18-Silos hast, von denen Du glaubst, dass Du einen Teil davon nachladen kannst - wo lagerst Du Deine Nachladeraketen? Oder lagerst Du für jedes Silo eine Nachladerakete, weil Du die riesigen SS-18 nicht unter den Bedingungen eines Kernwaffenkrieges 2.000 km weit von dem zerstörten Raketenfeld bei Kartaly zu dem kaum zerstörten Raketenfeld bei Aleisk bringen willst? 308 SS-18-Nachladeraketen? Wo haben die RWSN die denn versteckt? Das Nachladen dauert Tage. Und das alles auf verstrahltem Boden und mit möglichen Schäden am Silo, die Du mit feldmäßigen Mitteln möglicherweise gar nicht feststellen kannst? Und gerade die SS-18-Silos wären am stärksten getroffen worden. Denn die Raketen darin bildeten die größte Gefahr für den Gegner.

Wie gesagt - schon von der Bezeichnung des Silotyps her war ein Nachladen gar nicht vorgesehen.

Meiner Meinung nach dienten die Startcontainer dem Zweck des besseren Umgangs der betreffenden Raketen beim Transport, beim einsetzen und heraus nehmen aus dem Silo und auch der Möglichkeit die Raketen in ihrem Startcontainer erschütterungsarm im Silo abzustützen/aufzuhängen.

Da stimme ich Dir zu.

Interessant! Bitte setze mal Deinen mit "Aber ..." begonnen Satz fort.

Das "Aber" bedeutet erhebliche Zweifel daran, dass das Nachladen vorgesehen war. Erstens fehlt es mir an glaubhaften Informationen über vorhandene Nachladeraketen und -gefechtsköpfe. Zweitens sehe ich nicht, dass das Nachladen außerhalb des Basierungsortes/des Herstellerwerkes möglich war. Eine Rückkehr in eine der Basen dürfte jedoch kaum als machbar angesehen worden sein.
 
Das ist ja ein Ding - irgendwann muß es "der Westen" dann doch mal herausbekommen haben das diese Silos alle nur für einen einzigen Schuss vorgesehen waren - egal ob nun heiß oder kalt gestartet wurde. Was soll das denn? Für Zählungen eignet es sich natürlich argumentativ sehr gut darauf hinzuweisen das man damit rechnen muß das die sowj. Seite Reserveraketen hätte und diese dann von den schon einmal gebrauchte Starteinrichtungen hätten nochmals abgefeuert werden können.
Die dt. Fassung von SOVIET MILITARY POWER 1985 formuliert dazu auf Seite 26 im Kapitel II (Nukleare Angriffpotentiale), Abschrift:
Die Ansicht, daß ein Nuklearkrieg sich in die
Länge ziehen könnte, hat die UdSSR dazu veran-
laßt, großen Wert auf Überlebensfähigkeit sowie
auf Kriegsreserven, den Schutz wichtigen Perso-
nals und Materials und die Nachladbarkeit der
Startgeräte zu legen. Für ihre ICBM, LRINF,
SRBM und Luftverteidigungskräfte haben die So-
wjets über die ganze UdSSR verteilt zusätzliche
Flugkörper, Treibmittel und Gefechtsköpfe bevor-
ratet. Einige silogestützte ICBM-Startvorrichtun-
gen könnten nachgeladen werden, außerdem wur-
den Vorkehrungen für die Dekontamination sol-
cher Startvorrichtungen getroffen. Pläne für das
Überleben notwendigen Personals und Geräts wur-
den aufgestellt und durchgeübt. Darüber hinaus
sind Nachschubsysteme verfügbar, um SSBN-U-
Boote in geschützten Gewässern aufzumunitionie-
ren.
Wenn für die Schachtstartanlagen sowieso keine Reserveraketen vorgesehen waren dann stellt sich die Frage warum dann das Kaltstartverfahren überhaupt entwickelt wurde? Da bleibt nur noch die Möglichkeit übrig das man zu Trainingszwecken dann und wann mal eine Rakete starten wollte oder konnte ohne das man dann alles neu hätte bauen müssen.

Frank, da ging es sowohl um den Topf wie auch um das Podest daneben. Die Erläuterung für den Topf hat Nelson ja nun dankenswerterweise gegeben.
 
Da bleibt nur noch die Möglichkeit übrig das man zu Trainingszwecken dann und wann mal eine Rakete starten wollte oder konnte ohne das man dann alles neu hätte bauen müssen.

Man hätte dann aber auch nur diese eine Art testen können. Weniger die anderen. Man hat die Kalt/Auswurfstartfähigkeit primär für andere Dinge gebraucht » den Start von U-Booten z.B. Und anderen 'unmöglichen' Startsystemen, wie dem Zug.

Frank, da ging es sowohl um den Topf wie auch um das Podest daneben. Die Erläuterung für den Topf hat Nelson ja nun dankenswerterweise gegeben.

Ja ok, zum 'Topf' hattest du dich ja da nicht mehr eingelassen. Wir hatten uns zum Podest geäussert. Belassen wir es so.

Grüße Frank
 
Eine Nachfrage zu den Azimutkreiseln » wie hat man die 'eingenordet'. An Fixsternen ? geht am Tage kaum. Waren die vorjustiert als Einheit und wurden regelmäßig nachjustiert / kontrolliert auf Genauigkeit ? Kreisel heißt ja, die liefen schon und waren voreingestellt. Richtig ?

Während bei der Kreiselplattform im Innern der Rakete vorwiegend "richtungshaltende Kreisel" verwendet werden, ist der Azimutkreisel immer ein "richtungssuchender Kreisel" (-> http://de.wikipedia.org/wiki/Kreiselinstrument#Messprinzipien ). Der nordet sich sozusagen selbst ein (denn darin besteht sein Sinn und Zweck). Diese Geräte werden selbstverständlich regelmäßig gewartet und hinsichtlich der Genauigkeit überprüft.

Wenn sich die SS-25-Startrampe bewegt, ist der Kreisel aus sehr guten Gründen ausgeschaltet. Ein laufender Kreisel (der dreht sich mit mehreren tausend Umdrehungen pro Minute) entwickelt - wenn auf ihn von außen eine "nichtgeplante" Kraft einwirkt (z. B. durch das Auf und Ab der Startrampe in der Bewegung) - die kinetische Energie einer Artilleriegranate. Vor dem Anlassen wird er auf den Boden abgesenkt (-> http://img-fotki.yandex.ru/get/5822/45274921.b/0_72fd1_dfb78742_orig ) und sieht dann offenbar für einige Betrachter aus wie ein "Topf". :chuncky:

Hat eigentlich jemand auf den Fotos vom Start der SS-25, auf die in dem anderen Thema verlinkt wurde, irgendwelche Kabel gesehen, über die die Rakete vom Leitstand z. B. mit Informationen zu ihrem Ziel versorgt wird? Solche Informationen gibt man ja schließlich nicht per Walky talky durch.
 
SOVIET MILITARY POWER

Übrigens: Man sollte nicht vergessen, worin der Zweck dieses Werkes bestand. Als dieses Werk herausgegeben wurde, galt die UdSSR als "Reich des Bösen" (Ronald Reagan). Sich anhand dieses Werkes eine objektive Meinung über die Nuklearstreitkräfte der ehemaligen UdSSR bilden zu wollen, ist in etwa gleichbedeutend mit dem Versuch, sich anhand des "Schwarzen Kanal" eine objektive Meinung über die frühere Bundesrepublik zu bilden. Fairerweise sollte man vielleicht auch hinzufügen, dass es quasi zu jeder amerikanischen Ausgabe eine sowjetische Erwiderung gibt -> http://www.booklooker.de/B%FCcher/Von-wem-geht-die-Gefahr-f%FCr-den-Frieden-aus/id/A01bRYJV01ZZm

Wenn für die Schachtstartanlagen sowieso keine Reserveraketen vorgesehen waren dann stellt sich die Frage warum dann das Kaltstartverfahren überhaupt entwickelt wurde? Da bleibt nur noch die Möglichkeit übrig das man zu Trainingszwecken dann und wann mal eine Rakete starten wollte oder konnte ohne das man dann alles neu hätte bauen müssen.

Preisfrage: Warum "verreisen" die SS-25-Bedienungen verschiedener Raketendivisionen zur Durchführung von Trainingssstarts nach Plezessk? So eine mobile Rakete kannst Du doch in Russland beinahe an jeder Ecke gefahrlos abfeuern.

Für das Training von ICBM-Starts "scharfe" Silos zu verwenden, ist nicht ganz ungefährlich (es sei denn, man hat dem potenziellen Gegner die unmittelbar bevorstehende Deaktivierung des Silos angekündigt). Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass die Jungs bei NORAD vor 1990 ruhig geblieben wären, wenn ein amerikanischer Frühwarn-Satellit auf einem aktiven SS-18-Raketenfeld z. B. bei Kartaly einen definitiven Raketenstart geortet hätte. Im Übrigen siehe hier -> http://de.rian.ru/politics/20111227/262364332.html und hier -> http://www.ww2.dk/new/rvsn/5niip.htm

Nochmal zum Thema "Kaltstart". Möglicherweise habe ich mich ja in Beitrag 64 nicht klar genug ausgedrückt.

Die Anpassung der SS-11-Silos an diese Rakete erforderte wegen der Dimensionen und des Startverfahrens der SS-19 aber einen dreifach höheren Aufwand an Zeit und Material als bei der nicht ganz so kampfstarken SS-17. Ganz wesentlich zur Kostensenkung trug bei der SS-17 die Tatsache bei, dass eben kein aufwändiges System der Abgasführung innerhalb des Silos benötigt wurde. Bei der SS-18, die in die Silos der SS-9 einziehen sollte, spielten ähnliche Überlegungen eine Rolle.

Das Kaltstartverfahren wurde eingeführt, um bei der Anpassung größerer Nachfolgetypen von Raketen an die bereits vorhandenen Silos Material und Kosten zu sparen. Indem aus alten SS-11-Silos die aufwändigen Systeme zur Abgas-Abführung herausgerissen werden konnten und nicht durch neue Systeme ersetzt werden mussten, konnte die im Vergleich zur SS-11 größere und vor allem dickere SS-17 in die alten Silos eingesetzt werden. Ebenso die SS-18 in alte SS-9-Silos. Und diese Kostengeschichte soll tatsächlich diese fulminante Technik hervorgebracht haben? - Klar! Einfach mal die Zahl der Raketen ansehen, die da neu installiert werden sollten. Da ging es um zig Mrd von Rubeln.

Bei der SS-19 ging man bekanntlich einen anderen Weg und das verursachte nicht nur dreimal höhere Kosten sondern führte auch zu etlichen Fehlstarts bei der Truppenerprobung. In den neuen Silos führten nämlich zunächst gasdynamische Effekte beim Start zur Beschädigung von Raketenstrukturen, mindestens jedoch zu Vibrationen in der Raketensturktur, die Fehlschüsse nach sich zogen und die Staatliche Havariekommission auf den Plan riefen. Das alles konnte beim "Kaltstart" nicht passieren.

Das ist aber noch nicht der Haupt-Gag der ganzen Geschichte. Als der amerikanische Präsident Reagan in den 1980er Jahren endlich entschied, wie die neue ICBM LGM-118 PEACEKEEPER (auch als MX-Rakete bezeichnet) denn nun zu stationieren sei, wurden 50 MINUTEMAN III-Silos ausgewählt, in die die drei Meter längere, fast einen halben Meter breitere und mehr als doppelt so schwere PEACEKEEPER eingebaut werden sollte. Da hatten die amerikanischen Miliärs, denen der Kongress keine Finanzmittel zum Bau neuer Silos genehmigen wollte, plötzlich das gleiche Problem wie Kolja bei der Einführung ihrer dritten ICBM-Generation. Und sie lösten dieses Problem auf die gleiche Art wie Kolja. Nur durch die Verwendung der Kaltstarttechnik war die Umsetzung der Präsidentenweisung zur PEACEKEEPER-Einführung in nur zwei Jahren (1986 bis 1988) überhaupt möglich (-> http://de.wikipedia.org/wiki/LGM-118_Peacekeeper#Beschreibung ).

Und irgendwo gibt es dann auch noch dieses Enzyklopädie "Weapons of Mass Destruction:" -> http://www.thalia.de/shop/home/rubr...chemical-and-biological-weapons-and-volume-ii Hier der Eintrag zum Thema "Cold launch" -> http://books.google.de/books?id=Zzl...K#v=onepage&q=Cold Launch peacekeeper&f=false
 
Indem aus alten SS-11-Silos die aufwändigen Systeme zur Abgas-Abführung herausgerissen werden konnten und nicht durch neue Systeme ersetzt werden mussten, konnte die im Vergleich zur SS-11 größere und vor allem dickere SS-17 in die alten Silos eingesetzt werden. Ebenso die SS-18 in alte SS-9-Silos.
Aha, das ist klingt wirklich nachvollziehbar. So bisher noch nicht gelesen.

Zu SMP, damals hatte der Leser ja faktisch keine Möglichkeit sich anderweitig zu informieren. Zu "Von wem geht die Gefahr für den Frieden aus" gab es von westlicher Seite wiederum eine Gegendarstellung und Bewertung. Da ging es hin und her im Schlagabtausch. Zum Glück kann man sich heute auf verschiedene Art und Weise zum Thema informieren und zu einer objektiven Meinung kommen. Solche Diskussion wie die derzeitige sind meiner Meinung nach hilfreich.
 
Zu SMP, damals hatte der Leser ja faktisch keine Möglichkeit sich anderweitig zu informieren.
Um nochmal zum Thema Kaltstartfähigkeit und der durch den Westen abgeleiteten Nachladefähigkeit zu kommen. Heute liegen dazu Informationen vor die damals der Öffentlichkeit unzugänglich waren. In einer westdeutschen Geheimdiensteinschätzung zu Beginn der achtziger Jahre zur Weiter- und Neuentwicklung landgestützter strategischer Flugkörper der Sowjetunion werden natürlich auch zukünftige technologische Trends auf Basis der qualitativen Leistungssteigerungen der SS-17, -18, -19, -20 analysiert. So kam man zum Schluss "das Kaltstartverfahren wird vermehrt angewandt werden" und formuliert hierzu im Klammern das dies eine "rasche Wiederverwendung der Starteinrichtungen ermöglicht".
Vermutlich boten derartige Abhandlungen die Grundlage beispielsweise für die Datenbasis von SMP. Die Formulierung aus dem Kaltstartverfahren die Möglichkeit zur raschen Wiederverwendung von Starteinrichtung abzuleiten wird dabei vermutlich nicht bis zu Ende im Detail erhalten geblieben sein. Zunächst streicht man die "Möglichkeit" aus der Formulierung und dann wird aus dem Kaltstartverfahren tatsächlich eine grundsätzliche Nachladefähigkeit. Mit allen Konsequenzen für zukünftige vergleichende Zahlenspiele.
Anderseits kann man nicht ausschließen das der Westen das Kaltstartverfahren tatsächlich fehlinterpretierte. Hierbei möchte man allerdings erwarten das deren Analytiker sich grundsätzlich mit der nuklearen Infrastruktur der strategischen Raketentruppen beschäftigt haben. Und im Detail beispielsweise über Beweise zur Existenz eines zweiten Schusses verfügten. In der Tat, irgendwo müssen ja die Träger, die Köpfe, die Treibstoffe und die notwendige Transport- und Beladetechnik bevorratet gewesen sein. Da ja gerade bei den strategischen Raketentruppen alles irgendwie immer etwas größer ausfällt kann so etwas nicht verborgen geblieben sein. Sofern überhaupt jemals existierend.
 
Nochmal zum Thema "Kaltstart". Möglicherweise habe ich mich ja in Beitrag 64 nicht klar genug ausgedrückt.

Das Kaltstartverfahren wurde eingeführt, um bei der Anpassung größerer Nachfolgetypen von Raketen an die bereits vorhandenen Silos Material und Kosten zu sparen. Indem aus alten SS-11-Silos die aufwändigen Systeme zur Abgas-Abführung herausgerissen werden konnten und nicht durch neue Systeme ersetzt werden mussten, konnte die im Vergleich zur SS-11 größere und vor allem dickere SS-17 in die alten Silos eingesetzt werden. Ebenso die SS-18 in alte SS-9-Silos. Und diese Kostengeschichte soll tatsächlich diese fulminante Technik hervorgebracht haben? - Klar! Einfach mal die Zahl der Raketen ansehen, die da neu installiert werden sollten. Da ging es um zig Mrd von Rubeln.

Bei der SS-19 ging man bekanntlich einen anderen Weg und das verursachte nicht nur dreimal höhere Kosten sondern führte auch zu etlichen Fehlstarts bei der Truppenerprobung. In den neuen Silos führten nämlich zunächst gasdynamische Effekte beim Start zur Beschädigung von Raketenstrukturen, mindestens jedoch zu Vibrationen in der Raketensturktur, die Fehlschüsse nach sich zogen und die Staatliche Havariekommission auf den Plan riefen. Das alles konnte beim "Kaltstart" nicht passieren.

Ich zitiere zum Thema SS-17 bis SS-19 mal als Abschrift aus der Anlage G 2 des BND-Jahresberichts 1982 das Blatt 159:
"Typ-Zuordnung sowjetischer landgestützter strategischer Flugkörper"

Bezeichnungmax. Reichweite (km)Nutzlast (kg)CEP * (m)Anzahl der RV **
SS-17 MOD 1950027004604 / MIRV ***
SS-17 MOD 21050027004001
SS-17 MOD 3950027004004 / MIRV
SS-18 MOD 11350061004801
SS-18 MOD 21200073004808 - 10 / MIRV
SS-18 MOD 31750050004001
SS-18 MOD 410000730024510 / MIRV
SS-19 MOD 1960034003506 / MIRV
SS-19 MOD 21030034004001
SS-19 MOD 3960034002456 / MIRV

Legende:
* CEP = Circular Error Probable
** RV = Reentry Vehicle (Wiedereintrittskörper)
*** MIRV = Multiple Indpendently-targetable Reentry Vehicle
Quelle:
BArch Koblenz B206/159

PS: Eine verwirrende Vielfalt an Modifikationen der drei Raketentypen aber das wird der westlichen Wahrnehmung geschuldet sein.
 
PS: Eine verwirrende Vielfalt an Modifikationen der drei Raketentypen aber das wird der westlichen Wahrnehmung geschuldet sein.

Im vorliegenden Fall besteht die "westliche Wahrnehmung" in den Telemetriedaten von den Erprobungs- und scharfen Übungsstarts der betreffenden Raketen. Wie man leicht sieht, reduziert sich das Unterscheidungssystem auf einen Teil der Rakete, der über der Region Kura nun mal unweigerlich ans Tageslicht trat und dessen Spur in der Atmosphäre einfach nicht übersehen werden konnte. Die Rede ist vom Gefechtskopf bzw. den einzelnen Tochter-Gefechtsköpfen. Jede oben angegebene Modifikation ist mit einem anderen Gefechtskopf ausgewiesen. Dessen Masse und Konfiguration hat dann auch den unterschiedlich CEP und meistens auch die unterschiedliche Reichweite der Raketen zur Folge.

Die Modifikationen der UR-100N (SS-19) haben wir bereits in Beitrag 57 durchgehechelt. Beim BND kann ich keine wesentliche Abweichung feststellen.

Mit den Modifikationen der MR UR-100 (SS-17) verhält es sich ganz ähnlich. Mod. 1 verfügte über einen MIRV-Gefechtskopf mit vier Tochtergefechtsköpfen. Mod. 2 verfügte über einen Einfachgefechtskopf mit einer Sprengkraft von 3,4 Mt. Mod. 3 ist die verbesserte Rakete MR UR-100 UTTCh mit wiederum einem MIRV-Gefechtskopf mit vier Tochtergefechtsköpfen.

Auch die Modifikationen der R-36M (SS-18) sind zum Großteil gefechtskopfbezogen definiert. Mod. 1 ist die Ausführung mit dem "schweren" 20 Mt-Einzelgefechtskopf. Mod. 2 ist die Ausführung mit einem MIRV-Gefechtskopf, der bis zu 10 Einzelgefechtsköpfe enthalten konnte. Mod. 3 ist die Variante mit dem "leichten" 8 Mt-Einzelgefechtskopf. Mod. 4 ist die verbesserte Rakete R-36M UTTCh, die einen MIRV-Gefechtskopf mit 10 Tochtergefechtsköpfen á 0,5 Mt tragen konnte.

Da das BND-Dokument aus dem Jahre 1982 stammt, fehlt übrigens die modernste Version der SS-18. Die R-36M2 wurde erst gegen Ende der 1980er Jahre in die Streitkräfte eingeführt. Zu Deiner Verwirrung kommen dann also noch die Modifikationen 5 und 6 für die SS-18 hinzu - mod. 5 mit einem "leichten" Einzelgefechtskopf von 8 Mt Sprengkraft und mod. 6 mit einem MIRV-Gefechtskopf, der 10 Tochtergefechtsköpfe á 0,75 Mt Sprengkraft tragen kann.

Es gibt also im Hinblick auf die Systematisierung im BND-Dokument kaum etwas zu meckern. Gute Aufklärungsleistung des BND? Eher weniger. Die v. g. Raketen sind nämlich alle Gegenstand von Abrüstungsverträgen. Und im Vorfeld des Vertragsschlusses wurden natürlich die Erkenntnisse der amerikanischen und der sowjetischen/russischen Seite zu den erprobten und stationierten Raketentypen der jeweils anderen Seite gründlich verifiziert. In den Verträgen steht allerdings nichts von MR UR-100, R-36M oder UR-100N. Dort steht RS-16A/B für SS-17 mod. 1,2/3, RS-18A/B für SS-19 mod. 1,2/3 und RS-20A/B/W für SS-18 mod. 1,2,3/4/5,6.

Ich hoffe, angenehm verwirrt zu haben.
 
Es gibt also im Hinblick auf die Systematisierung im BND-Dokument kaum etwas zu meckern. Gute Aufklärungsleistung des BND? Eher weniger. Die v. g. Raketen sind nämlich alle Gegenstand von Abrüstungsverträgen. Und im Vorfeld des Vertragsschlusses wurden natürlich die Erkenntnisse der amerikanischen und der sowjetischen/russischen Seite zu den erprobten und stationierten Raketentypen der jeweils anderen Seite gründlich verifiziert.
Zeitlich ging diese Verifizierung im Vorfeld des Vertragsabschlusses bis in das Jahr 1982 zurück?
 
Diese Frage verstehe ich nicht. Die grobe Zuordnung RS-16 = SS-17, RS-18 = SS-19 und RS-20 = SS-18 ist bereits aus dem SALT-II-Vertrag bekannt. Und der wurde bekanntlich im Juni 1979 unterzeichnet. Einfach mal lesen -> http://www.state.gov/www/global/arms/treaties/salt2-2.html . In Artikel II gibt es z. B. klare Angaben zu den damals bereits bekannten sowjetischen ICBM mit MIRV-Gefechtsköpfen.

"-- Missiles of the type designated by the Union of Soviet Socialist Republics as the RS-16 and known to the United States of America as the SS-17, a light ICBM that has been flight-tested with a single reentry vehicle and with multiple independently targetable reentry vehicles;

-- Missiles of the type designated by the Union of Soviet Socialist Republics as the RS-18 and known to the United States of America as the SS-19, the heaviest in terms of launch-weight and throw-weight of light ICBMs, which has been flight-tested with a single reentry vehicle and with multiple independently targetable reentry vehicles;

-- Missiles of the type designated by the Union of Soviet Socialist Republics as the RS-20 and known to the United States of America as the SS-18, the heaviest in terms of launch-weight and throw-weight of heavy ICBMs, which has been flight-tested with a single reentry vehicle and with multiple independently targetable reentry vehicles;"

Aus Artikel IV kannst Du kann schon mal die maximale Anzahl von Tochtergefechtsköpfen für die MIRV-Gefechtsköpfe ersehen, die bis Mai 1979 getestet wurden und dann als maximale Obergrenze festgelegt wurden.

"First Agreed Statement. The following types of ICBMs and SLBMs equipped with MIRVs have been flight-tested with the maximum number of reentry vehicles set forth below: ...

For the Union of Soviet Socialist Republics

ICBMs of the RS-16 type -- Four reentry vehicles;

ICBMs of the RS-18 type -- Six reentry vehicles;

ICBMs of the RS-20 type -- Ten reentry vehicles;"

Bitte beachten - im Vertrag ist von ICBM des z. B. "RS-20-Typs" die Rede! Es war also schon 1979 klar, dass die betreffenden Raketensysteme in mehreren Modifikationen existierten. Dieses Schema wurde dann später u. a. in den START-Verträgen fortgeschrieben als im Zuge der technischen Entwicklungen weitere Modifikationen an den Raketenträgern und den Gefechtsköpfen vorgenommen wurden. Die Verifikation der Angaben der jeweils anderen Seite schloss auch den Austausch von Fotos der betreffenden Raketensysteme ein.

SS-17 -> http://fas.org/nuke/control/start1/text/image/rfphotos/rs16ss17msl.jpg

SS-18 -> http://fas.org/nuke/control/start1/text/image/rfphotos/rs20ss18c.jpg

SS-19 -> http://fas.org/nuke/control/start1/text/image/rfphotos/rs18ss19msl.jpg
 
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