Lettland: Flugplatz Riga-Rumbula

the passenger

Well-known member
Moin,

hab mich Mitte Juli mal ernsthaft auf dem Flugplatz in Riga-Rumbula umgeschaut. Der Flugplatz wurde Anfang der 1950er Jahre erbaut und war laut mehrern Quellen ab 1953 mit dem 899. IAR (Interceptor Aviation Regiment, wohl Teil der 15. sowjetischen Luftarmee) belegt. Geflogen wurden MIG-17, -19, -21. 1980 wurde die militärische Basis geschlossen, weil der An- oder Abflug nur über dem Zentrum von Riga stattfinden konnte. Dafür wurde ein anderer Flugplatz errichtet (Lielvarde Air Base).
Aktuell findet sich vor Ort Kleingewerbe, Baumärkte und der bedeutenste Automarkt in Lettland. Die Start-/Landebahn wird für Autotests, Fahrschulübungen und gelegentlich Para-Glider genutzt, am Rande gibt es viele Parzellengärten.
Noch eine schicke Website zum Objekt (hat u.a. auch Buran-Sachen):

http://www.urbanghostsmedia.com/2014/12/12-abandoned-cold-war-airfields-soviet-union-russia/

Hier ein paar Photo-Impressionen zum aktuellen Zustand in Rumbula:

SLB.JPG keine Ahnung.JPG Riga 1142.JPG zu Kaufen.JPG

Ab hier streikt die Büroklammer/das Hochladen. Die restlichen Bilder in Beitrag #2

Gutgehn, Christian
 
Doppeldeckung alt

Und noch was spezielles. Nach Info-Austausch mit S. Büttner (Danke!) hier ein Photo (6/2018) von einer historisch scheinbar ganz frühen Bogendeckungs-Bauform vom Flugplatz Riga-Rumbula. Zwillings-Bogendeckung und Hitzestrahl-Abweisung direkt nach hinten:

Über'n Zaun.JPG
Das Bauwerk ist in Nachnutzung und umzäunt.

Gutgehn, Christian
 
@Christian, konntest du einen Blick auf die Vorderseite werfen?
Will mich nicht in euer Fachgebiet einmischen, da keine Ahnung, aber sind die nicht etwas niedrig? Oder täuscht die Perspektive?

Grüße
 
@Christian, konntest du einen Blick auf die Vorderseite werfen?
Will mich nicht in euer Fachgebiet einmischen, da keine Ahnung, aber sind die nicht etwas niedrig? Oder täuscht die Perspektive?

Grüße

Moin Klondike,

ich hatte vorher auch keine Ahnung, das es eine andere Bauform gibt = bin da auch nicht der Spezialist.
Die Perspektive täuscht tatsächlich etwas. Es ist eigentlich kein Problem, das Bauwerk frontal/von vorn über den Zaun/das Tor abzulichten, aber genau dieses Photo habe ich leider "in den Sand gesetzt". Wohl 11-er Doppel-Bogendeckung. Nächste Reise dann noch mal ...
Wurde auch schon in einem Nachbarforum drüber geredet: flugzeugforum.de, die genaue Seite kann ich grad nicht erinnern (Teilnehmer "Jeroen" hat dazu was angemerkt).

Gutgehn, Christian
 
Die in Christians Foto gezeigte An-2 befindet sich, zumindest Stand Juli 2023, nun nicht mehr auf dem Flugplatzgelände, sondern auf einem ganz in der Nähe gelegenen Schrottplatz der Firma "TM Recycling, SIA" direkt an der Eisenbahnstrecke Riga-Jekabpils (genauer: zwischen dem Bahnübergang der Straße "Krustpils iela" und der Höhe des Bahnsteiges der Haltestelle "Gaisma" auf der gegenüberliegenden Seite der Gleise). Wenn ihr "TM Recycling, SIA" eingebt, werdet ihr es direkt auf der Karte sehen. Entdeckt habe ich den einsamen Rumpf tatsächlich vom Zug aus, als ich eines Abends von Jekabpils nach Riga zurück kam. Ein mir bekannter Lokführer hat erzählt, dass er oft an dem Flugzeug vorbei fährt, es aber zugegeben echt schwer sei, das Ding unwissend hinter der Mauer des Geländes zu erspähen. Die Fotos habe ich auf jene Betonmauer aufspringend und dann darauf hockend gemacht.

Auf dem Rumpfheck ist das Logo des "Werk Nr. 421 der Zivilluftfahrt" gut erhalten. Das Werk war in Winnyzja, in der Ukrainischen SSR gelegen.

Für alles weitere an Hintergründen bitte die Kennung CCCP-07157 bei russianplanes.net nachschlagen. Dort ist alles bestens aufgeführt. Daraus geht hervor, dass die Maschine offensichtlich in Spilve beheimatet war und schließlich als Ergebnis der Außerdienststellung zur Zeit der Wende (wohl per Direktflug von Spilve aus) irgendwann nach Rumbula zur Ausschlachtung verbracht worden ist. Jedenfalls ist das LFZ laut Angaben bereits am 4. Januar 1989 aus dem Register entfernt und eingemottet worden.

Hier einmal der Link: https://russianplanes.net/reginfo/71534 Die Website ist echt grandios und ich schlage da oft die Geschichte einzelner Kennungen nach!

Liebe Grüße!
 

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Entdeckt habe ich den einsamen Rumpf tatsächlich vom Zug aus, als ich eines Abends von Jekabpils nach Riga zurück kam. Ein mir bekannter Lokführer hat erzählt, dass er oft an dem Flugzeug vorbei fährt, es aber zugegeben echt schwer sei, das Ding unwissend hinter der Mauer des Geländes zu erspähen. Die Fotos habe ich auf jene Betonmauer aufspringend und dann darauf hockend gemacht.
Danke für den Hinweis! Wenn ich nach diesem Flugzeug gesucht hätte dann wäre die andere Seite der Hauptstraße grundsätzlich erstmal ausgeschieden. Tatsächlich befanden sich dort aber auch noch Einrichtungen die früher zum Flugplatz gehörten, beispielsweise ein Tanklager und ein Garagenkomplex.
Die letzten "Entdeckungen" die uns zur Geschichte dieses Flugplatzes gelangten waren das Depot für die Flugzeugbewaffnung und die Gebäude der Wohnzone.
Mittlerweile verschwunden ist eine mehr oder weniger unveränderte Bogendeckung AU-11 im Originalzustand.
 
Oh ja, mittlerweile ist der Flugplatz schon bald nicht mehr als solcher zu erkennen. Auf der einen Seite haben sich allerlei Betriebsgelände, auf der andern Seite eine große Kleingartenanlage breit gemacht. Die Lauben stehen teilweise zwischen den Flugzeugsheltern, durch die engen Gassen fährt sogar die Müllabfuhr, es gibt Straßenschilder. Bald gibt's leider so überhaupt gar nichts mehr zu sehen da.

Wenn ich das also richtig verstehe, befanden sich damals auf der anderen Seite der großen Hauptstraße etwa Tanklager und Wohnzone? Ist ja nen Ding!
 
Wenn ich das also richtig verstehe, befanden sich damals auf der anderen Seite der großen Hauptstraße etwa Tanklager und Wohnzone?
Was mich mal interessieren würde ist wann sich auf dem südlichen Gelände am Fluß diese Kleingartenanlage etablierte. Dort gab es ja eine Radarstellung und einen Staffeldezentralisierungsraum mit AU-11 Bogendeckungen.
Man müsste vermutlich nur mal hingehen und die KGA-Bewohner befragen wann es dort losging. Im Bereich der Radarstellung war ich bisher noch nicht gewesen. Auf folgender Aufnahme von www.retromap.ru von 1972 ganz unten zu erkennen.
Mitte rechts das Tanklager jenseits der Hauptstraße, stadteinwärts dann rechterhand der Garagenkomplex den ich für zum Flugplatz zugehörig betrachte.
Am rechten Bildrand der Aeroflot-Bereich, außerhalb des Ausschnittes die Kaserne und Wohnzone. Letztere ist insofern interessant das man dort noch einige der ursprünglichen ugs. "Finnen-Häuser" sehen kann. Im sowjetischen Sprachgebrach ist das ein Begriff für diese bestimmte Art von Holzhäusern in den 1 bis 4 Offiziersfamilien lebten. Zuweilen im Baltikum immer noch anzutreffen.
Das "Depot für die Flugzeugbewaffnung", sowjetische Abkürzung PPPR, ist an den sieben Gebäuden mit den grauen Dächern zu erkennen. Durchweg Nachnutzung als Kfz-Werkstätten und ähnliches. Mit entsprechenden Sprachkenntnissen wäre es hier einfacher Fotos der Gebäude selbst und auch im Innern zu machen. Riga-Rumbula scheint soweit der einzige Standort zu sein wo diese Typbauten immer noch unverändert erhalten geblieben sind und nicht millitärisch genutzt werden.

PPPR.jpgРиги и Юрмалы 1972.jpg
 
Interessant! Und bemerkenswert, wie sehr Du da ins Detail gehen kannst! Ja genau, da bliebe wohl nur die Option, mal die Nutzer der KGA bzw. der Gebäude ringsherum zu befragen.
 
Ich möchte das Thema "Option" erweitern auf das ehem. Aeroflot-Terminal, das ebenfalls noch vorhanden ist und nachgenutzt wird. @the passenger und meine Wenigkeit haben - nicht nur - dort schon recht genau hingeschaut. Mit jeder weiteren Besichtigung gabs immer wieder neue Dinge und Details zu erkennen. Auch änderte sich immer wieder die Nutzersituation so das plötzlich Zugang bestand wo Jahre zuvor keine Möglichkeit war. So kommt es das man diesen Flugplatz ruhig immer wieder anfahren kann - es gibt immer etwas was zu entdecken.
terminal.jpg
 
Das Terminal heutzutage (unter anderem) ein Laden für Kfz-Ersatzteile, wow. Na immerhin verfällt es nicht so jämmerlich wie jenes in Sperenberg. Ich war bislang nur einmal in Rumbula vor Ort, vielleicht fahre ich in Zukunft irgendwann nochmal hin.
 
Was mich mal interessieren würde ist wann sich auf dem südlichen Gelände am Fluß diese Kleingartenanlage etablierte. Dort gab es ja eine Radarstellung und einen Staffeldezentralisierungsraum mit AU-11 Bogendeckungen.

Zwei Photos aus dem Dezentralisierungsraum in der heutigen Kleingartenanlage (7/2016; bei G.E.: 56 53 00, 24 12 51):

Dezentralisation.JPG Eastern Decay.JPG.

War die erwähnte Radarstellung bei 56 53 48, 24 11 57 ?
 
Als Ergänzung noch zwei weitere Bilder vom Besuch in 12/2019:

Anhang anzeigen 115245 Anhang anzeigen 115246
Kurz zum Hintergrund nicht nur für das Berliner Neumitglied hier im Forum, dieses Gebäude befindet sich im rechten Winkel zum Terminal, in Richtung Hauptstraße. Möglicherweise war es die Gepäckausgabe gewesen. Es machte bei unserer Besichtigung einen ziemlich verammelten Eindruck und wirkte innen noch ziemlich original, zumindest das was da an Einblicken erhaschbar war.
Vom Terminal selbst ließen sich keine guten historischen Gesamtaufnahmen zu finden.
Die Radarstellung befand sich wie schon gesagt in der KGA am Fluß.

Vielleicht einmal der grundlegende Hinweis das dieser Flugplatz bereits in den siebziger Jahren geschlossen wurde. Der zivile Flugverkehr (Linienflugverbindungen) wurde in Riga-Skulte fortgeführt. Der Grund das Aeroflot in Riga-Rumbula flog lag in den verwendeten Flugzeugmustern begründet, insbesondere mit Einführung von Strahlverkehrsflugzeugen wie Tu-104 und Tu-124 konnte Riga-Spilve nicht mehr benutzt werden. Eine Il-18 konnte wohl auch schon nicht mehr in Spilve fliegen.
 

Danke für das alte Luftbild!
Da sind im Südwesten am Fluß Düna/Daugava noch die Reste eines geplanten landwirtschaftlichen Versuchsgutes der SS zu erkennen. Ab Dezember 1941 wurde das Gelände dann aber als Ausweich-Lager für "Reichsjuden" genutzt, die nach Planung eigentlich direkt nach Minsk verschickt werden sollten, um dort umgebracht zu werden. Wegen angespannter Eisenbahn-Kapazitäten klappte das nicht. Insgesammt wurden dort vier "Reichsjuden"-Transporte mit ca. 4000 Menschen "untergebracht". 148 Menschen haben es überlebt.

Zu Sowjet-Zeiten soll der ehemalige Gutshof dann als Ambulanz-Stützpunkt des Flugplatzes Rumbula nachgenutzt worden sein, so eine lettische Quelle im www.

MJP 3.JPG
 

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Eine Il-18 konnte wohl auch schon nicht mehr in Spilve fliegen.
Moin!
Schon klar, Spilve ist nicht das Thema Rumbula, drum halt ich mich sehr kurz. Ich stimme dir voll zu - für den dauerhaften Betrieb größerer Mittelstreckenflugzeuge ohne gewisse Kurzstarteigenschaften (die Aeroflot flog zum Beispiel regulär mit der An-24 von Spilve) ist Spilve nicht ausgelegt. Die Rede ist von dauerhaft, denn offensichtlich müssen dort mal Il-76 und gar Il-62 gelandet sein. Ich nehme jedoch mal stark an, dass die Maschinen tiefgreifend für diese Landungen als vermutlich einmaliges Ereignis modifiziert worden sind (Sitze ausgebaut, sonstige Verringerung der Masse, ..). Hier ein paar Fotos aus dem lettischen Forum:



Zu Rumbula gibt es auf der Website auch einige Fotos. Vielleicht ist ja was für euch dabei. Leider kann man in dem Forum nicht unter den ~ 30.000 Bildern filtern, ohne angemeldet zu sein. Also schau ich der Tage mal diesbezüglich selber rein.

Der Anflug auf Rumbula von Norden aus im Jahr 2017: https://www.aviofoto.lv/?c=bilde&id=24774&autors=374

Und zu dem militärischen Teil von Riga-Skulte gibt es auch ein bisschen was da: https://www.aviofoto.lv/?c=bilde&id=28740#bilde


Damit liebe Adventsgrüße!

P.S.: @Büttner, ich habe mir gestern deine zeitgenössischen Fotos vom Abzug aus Sperenberg angesehen. Der Hammer! Mir hat das Foto der Mi-8MTV aus Oranienburg im Abflug besonders gefallen. Diese Zeitdokumente sind wirklich das geilste.
 
Zu Sowjet-Zeiten soll der ehemalige Gutshof dann als Ambulanz-Stützpunkt des Flugplatzes Rumbula nachgenutzt worden sein, so eine lettische Quelle im www.
Der Bereich wird für die Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen sein. Die Kaserne blockierte von der Hauptstraße aus den Zugang Richtung Fluß. In einem alten Stadtplan (eigentlich "Schema der Transportverbindungen") ist dort nicht einmal eine Zuwegung eingetragen. Die TK50 zeigt natürlich den Flugplatz überhaupt nicht. Die angegebene Nutzung klingt absolut schlüssig.
Ein früherer alter Stadtplan als jener von 1982 liegt mir leider nicht vor.
Im Prinzip wird alles zwischen Fluß und Hauptstraße Sperrgebiet des Flugplatzes gewesen sein.
Na jedenfalls müssten man aus den oberen Fenstern der Visku iela 1 einen einglaublich tollen Blick auf den Flugplatz gehabt haben ....
Карта Латвии 1 50K 1983 года.jpgПлан города Риги 1982.jpg
 
Zu Rumbula gibt es auf der Website auch einige Fotos. Vielleicht ist ja was für euch dabei. Leider kann man in dem Forum nicht unter den ~ 30.000 Bildern filtern, ohne angemeldet zu sein. Also schau ich der Tage mal diesbezüglich selber rein.
Möglicherweise findet sich dort etwas zur Aviācijas iela, das ist die Straße die die damalige Wohnzone durchschneidet. Es wäre auch interessant mal zu wissen ob dieser Straßenname auch schon zu sowjetischen Zeiten existierte - einen diesbezüglichen alten Stadtplan aus der Sowjetunion habe ich noch nicht in meine Sammlung einsortieren können. Im Stadtplan "Schema der Transportverbindungen" wird diese Straße nicht dargestellt.
Mein kürzlichen Versuch einem Flohmarkt in Riga zu finden war leider nicht erfolgreich ....
 
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