Leipzig: Bowlingzentrum

Dieses Gebäude ist ein ungewöhnliches Beispiel für postmoderne Architektur und einmalig in ganz Ostdeutschland. Im Untergrund entstand ein Freizeittreff der Superlative vor vielen Jahren. Beim Bowlen und anderen Freizeitbeschäftigungen traf sich hier die Bevölkerung und sie hatte endlich einen leuchtenden Kontrapunkt gegen Trostlosigkeit und Verfall. Errichtet während der Zeit der DDR galt dieses Haus als Ausdruck für Veränderung. Über die Jahre geriet es jedoch in Vergessenheit. Heute liegt dieser Ort brach.

Bowlingtreff #01​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

Nur selten findet man ein Schlupfloch, das als Eingang zu diesem besonderen Ort dient. Dieses Mal brauchten wir die Hilfe eines ansässigen Urban Explorers, um den Weg hinein zu finden. Er brachte ein Seil mit. Da ein Großteil der Anlage unterirdisch verläuft, mussten wir zuerst einmal herunterklettern.

Und da waren wir: Mitten auf einer unterirdischen Bowlingbahn. Abgeschirmt von der Außenwelt hörten wir keine Geräusche mehr von der Oberfläche. Dabei befanden wir uns nur wenige Meter unter einer großen Hauptstraße. Insgesamt gab es 14 Bowlingbahnen, verteilt über mehrere Ebenen. Etwa 80 Besucher konnten hier gleichzeitig spielen.

Hidden Underground​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

Kurz vor dem Fall der DDR wurde dieses Bowling-Center errichtet. Angeblich sogar als Schwarzbau. Dafür wurde ein altes Umspannwerk aus den 1920er Jahren in einen Ort des Vergnügens umgewandelt. Damals waren für öffentliche Bauten eigentlich kein Geld und keine Materialien mehr übrig. Und dennoch wurde ein außergewöhnliches Gebäude erbaut, das zudem luxuriös eingerichtet war.

Meet the Crew​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

Ein Glasdach, Eichenparkett und Marmor zeugen von einem unüblich hohen Standard. Optisch erinnerte das Innere an Casinos aus dem Westen wie etwa die in Las Vegas. Die Regierung in Berlin hätte so etwas wohl niemals zugelassen. Jedoch erfuhr sie erst kurz vor der Eröffnung von dem Gebäude.

Casino​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

Die Bevölkerung war begeistert und kam für ein paar Runden Bowling in den unterirdischen Hallen gerne her. Es war für sie eine willkommende Abwechslung zum DDR-Alltag. Bei 15-stündigen Öffnungszeiten konnten hier pro Tag über 2.000 Besucher Platz finden. Jedoch nur zehn Jahre lang. 1987 eröffnete das Bowling-Center und 1997 schlossen sich die Tore wieder.

Bowlingtreff #05​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

Um sicherzugehen, dass es sich hierbei um einen Freizeittreff für normale Menschen und nicht für die Parteioberhäupter handelt, wurde mit Weitsicht gebaut. Alle Bowlingbahnen hier entsprachen nicht der Norm und waren zu kurz. Deswegen haben die Parteioberen diesen Ort nicht für sich beansprucht und den Bürgern überlassen.

Neon​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

Es ist erstaunlich, wie tief in die Erde dieses Gebäude reicht. Mittlerweile sind wir beim 4. Untergeschoss angelangt. Hier unten befanden sich bizarre Maschinen, deren Nutzen sich uns nicht erschlossen hat. Ebenso läuft hier noch der Strom. Eine Pumpe verhindert das Überfluten der Untergeschosse.

Mad Science​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

Die Zukunft dieses geschichtsträchtigen Ortes ist ungewiss. Zwar befindet sich das Gebäude in prominenter Lage, aber die Kosten für mögliche Investoren sind einfach viel zu hoch. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das ehemalige Bowling-Center irgendwann noch mal aus seinem Dornröschenschlaf aufwacht.

Octagon​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

Schaut euch auch unser Video zu dieser Location auf YouTube an:
https://www.youtube.com/watch?v=4ra9-AXvfZ8
 
Es ist erstaunlich, wie tief in die Erde dieses Gebäude reicht. Mittlerweile sind wir beim 4. Untergeschoss angelangt. Hier unten befanden sich bizarre Maschinen, deren Nutzen sich uns nicht erschlossen hat. Ebenso läuft hier noch der Strom. Eine Pumpe verhindert das Überfluten der Untergeschosse.

Mad Science​ by Broken Window Theory​, auf Flickr

@fernaufklärer
Hältst Du das auch für eine Destille? Die werden doch nicht ....
 
ist das mit dem "Schwarzbau" möglich? Von wem denn? Eher wurde so etwas doch gebaut um die Jugend in die Spur zu bekommen und zu zeigen wie modern man ist, Bowling war ja systemabhängig etwas verpönt damals. Der Osten hat gekegelt. Und die Bahnen zu kurz? Um zu verhindern das dort Vereine/Wettbewerbe Fuß fassen? So wegen, erfüllt nicht die Norm olympisches Schwimmbecken? Den Oberen wäre doch kürzer=erfolgreicher sicher nicht ungelegen gekommen.....

ich bin ja auch immer für Prosten, denke aber da wurde das Wachs für die Bahnen verflüssigt....

Grüße
 
Der Palazzo Prozzo hatte aber auch eine Bowlingbahn, und nicht weit davon entfernt gab es noch eine und leer waren die nie. Nur als Beispiel. mfg.kallepirna
 
ja, in Berlin gab es 2, Palazzo und die Bahnen im Keller der Rathauspassagen, da biste aber als FDLér mit Kumpels wenn du mal spotan wolltest nicht rein gekommen....
Ach so im SEZ war auch noch... Jedenfalls hab ich im Kopf das Bowling zu amerikanisch ist und deswegen etwas .... wie auch Basketball, man spielte Volleyball.... hab ich jedenfalls in Stabü so eingetrichtert bekommen....

Grüße
 
Die Bahn im Palast hatte sogar ne Technik von Brunswick USA. Da wurden weder an Kosten noch am Geld gespart.


Gruß Dirk
 
Ja es war im Prinzip ein Schwarzbau.
Damals wurde alles was nur ging an Baukapazitäten nach Berlin gekarrt. Dort wollte man glänzen, der Rest der DDR war egal.
Folglich hätte man das Projekt von der zentralen Planung nie genehmigt bekommen, es mangelte ja so schon an allem.
Und so fing man halt erst mal an zu bauen und erst als das Projekt schon zu weit fortgeschritten war um es noch abzubrechen erwähnte man es sozusagen "weiter oben". Deswegen Schwarzbau.

Das Bowlingzentrum wurde in die vorhandene Struktur eines unterirdischen Elektrizitätswerkes gebaut welches die Innenstadt bis Anfang der Siebziger mit Gleichstrom versorgte. Deswegen die vier Untergeschosse. Schön das die jetzt wieder trocken sind. Das ist zwar eine weiße Wanne aber das Wasser dringt von oben durch die marode Verglasung ein.

Der Bowlingtreff war der letzte Gesellschaftsbau der DDR, die Architektengruppe hat zuvor das Gewandhaus entworfen.
 
Der Bowlingtreff hatte auch Bahnen mit Brunswick- Technik. Die Bahnen selber waren zum Teil nicht so dolle, aber das war halt so. Wenn die zu kurz waren (weiß ich nicht) dann nicht wegen Weitsicht sondern weil der Platz durch die vorherige Nutzung so gegeben war.
Das Bowling verpönt war kann ich nicht bestätigen (Triathlon war auch nicht verpönt, der durfte nur anfangs noch nicht so genannt werden). Termine gab es nur mit Beziehungen oder langen Wartezeiten.

Das Gebäude ist wegen seiner Struktur nicht wirtschaftlich selbsttragend zu betreiben, daran scheiterten bis jetzt alle Pläne.

BWT: sehr schöne Bilder, die bizarren Maschinen dürften zur Haustechnik gehören. Die untersten Etagen standen lange unter Wasser.
 
@fernaufklärer
Hältst Du das auch für eine Destille? Die werden doch nicht ....

Im unteren Ballon eine Heizpatrone; oben eine Kühlschlange, seitlich ein Ablauf.
Ja, Du dürftest recht haben.
Schnapsbrennen halte ich allerdings wenig wahrscheinlich.
Eher eine Anlage zur Herstellung von dest.-Wasser. Dafür spricht der (vermutliche) Wasserstein- Belag.
Fragöich, nur - wenn so - wozu hier dest.- Wasser gebraucht wurde; noch dazu aus kontinuierlicher Herstellung. Denn ein paar Kartons FLaschenware wären zur Bevorratung auch machbar gewesen.
Zur streifenfreie Reinigung?
Keimfreiheit passt mit Bowling wohl eher nicht zusammen.
Hm
FA
 
Hat man vielleicht es dafür gebraucht, um den alten Ölfim von der Bahn zu bekommen? Oder die Bahn vorher zu reinigen, damit dann geölt werden konnte?
 
Im unteren Ballon eine Heizpatrone; oben eine Kühlschlange, seitlich ein Ablauf.
Ja, Du dürftest recht haben.
Schnapsbrennen halte ich allerdings wenig wahrscheinlich.
Schade. Na gut, dann fahren wir da halt nicht hin. :D

Eher eine Anlage zur Herstellung von dest.-Wasser. Dafür spricht der (vermutliche) Wasserstein- Belag.
Fragöich, nur - wenn so - wozu hier dest.- Wasser gebraucht wurde; noch dazu aus kontinuierlicher Herstellung. Denn ein paar Kartons FLaschenware wären zur Bevorratung auch machbar gewesen.
Auf so etwas Profanes kam ich gar nicht. Aber Du wirst recht haben, das wird unter der Devise "alles ist irgendwann mal knapp, lass es uns gleich selbst machen" gelaufen sein.
 
ist das mit dem "Schwarzbau" möglich?
Na klar!

Wobei Du die veränderte Bedeutung der Vokabel "Schwarzbau" übersehen hast: Heute ist ein Schwarzbau ein Bau ohne Baugenehmigung des Bauordnungsamtes. In der DDR war damit etwas anderes gemeint: Schwarzbau war ein Bau ohne dass er im Staatsplan stand und ohne das Material, Personal, Nebenkosten geplant waren. All dieses wurde dann "schwarz" von anderen Planbaustellen umgelagert - und sei es nur, weil diese verspätet waren und die Zementsäcke halt trotzdem da waren.

Na von staatlichen (oder betrieblichen) Stellen! Da hat der Rat der Stadt oder der Rat des Kreises oder der VEB Schlüpferstürmer ohne Plan und Bilanz gebaut - aber typischerweise schon mit Baugenehmigung.

Die DDR-Dokus sind voll davon: Hier eine Radlerbahn bei Rostock, da eine Wildwasserbahn bei Zwickau, dort ein Gebäude auf einem TÜP ...
 
Nun klar wurde in DDR viel sagen wir mal mit kreativen Ausreden gebaut. Aber ne Bauordnung oder Vorschriften gab es auch. Und für den privaten Bau, da waren sie ebenso unbequem wie heute. Kenn ich vom Hausbau in Zeuthen.
 
Ja, klar. Schwarzbau bezog sich damals ja auf Plan, Bilanzen. Gebaut wurde aber schon mit Baugenehmigung, Rat des Kreises als Behörde.
 
Der Bowlingtreff gibt den optischen Hintergrund für eine Folge "SOKO Leipzig": Fr 28.09.2018 ZDF

Aktuell schon in der Mediathek verfügbar.
Fr 28.09.2018 ZDF
 
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