6.334 Namen gegen das Vergessen
Landsberg am Lech, 13.05.2015.
Getreu der Nazi-Maxime „Vernichtung durch Arbeit“ sollten insgesamt rund 23.000 KZ-Häftlinge ab Juni 1944 westlich von Landsberg drei gigantische unterirdische Bunker errichten. Dazu wurden nach und nach im Raum Landsberg – Kaufering insgesamt 10 KZ-Außenlager errichtet. 70 Jahre später wurde im Rahmen eines Zeremoniells nun an die 6334 Opfer erinnert.
Getreu der Nazi-Maxime „Vernichtung durch Arbeit“ sollten insgesamt rund 23.000 KZ-Häftlinge ab Juni 1944 westlich von Landsberg drei gigantische unterirdische Bunker mit den Decknamen Diana II, Walnuss II und Weingut II errichten. Dazu wurden nach und nach im Raum Landsberg – Kaufering insgesamt 10 KZ-Außenlager errichtet. Dieser Außenlagerkomplex entwickelte sich so zum größten des Konzentrationslagers Dachau. Am 27. April 1945 befreite die US-Armee diese Lager. Für 6.334 Menschen kam die Rettung jedoch zu spät. Sie wurden von den skrupellosen Wachen erschossen oder starben qualvoll an Hunger, Erschöpfung oder Krankheit. Um ihrer auf ewig zu gedenken wurden bei einem Zeremoniell zum 70. Jahrestag der Befreiung der Lager in der Militärgeschichtlichen Sammlung „Erinnerungsort Weingut II“ in der Welfenkaserne vier Totenstelen enthüllt. Die Gedenkfeier fand im Beisein von 16 zum Teil aus den USA und Israel angereisten Holocaust-Überlebenden der Außenlager statt.
Zynisch und menschenverachtend
„Was für ein zynischer Name für solch einen Ort“, urteilte Dr. Ralf Brauksiepe, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, über dieses menschenverachtende Projekt des nationalsozialistischen Gewaltregimes. In seiner Ansprache vor den rund 250 geladenen Gästen machte ParlSts Dr. Brauksiepe weiterhin darauf aufmerksam, dass es für die Bundeswehr von großer Wichtigkeit ist, dieser Gedenkarbeit einen gebührenden Platz einzuräumen. Umso mehr, als dass unter der Betonaußenhaut des Bunkers Weingut II noch heute deutsche Soldaten ihren Dienst tun.
Nie wieder!
Als Zeitzeuge schilderte Max Volpert, Überlebender des KZ-Außenlager III, in einer bewegenden Erzählung seine Leidensgeschichte. „Nachdem viele von uns bereits im Ghetto in Litauen ermordet worden waren, wurde ich nach Landsberg deportiert. Anfangs war ich zum Schleppen von 50 kg schweren Zementsäcken eingesetzt, später dann als Leichenfahrer.“ Der letzte Tag im Lager des damals 14-jährigen Max Volpert war der 23. April 1945. Vor den heranrückenden Amerikanern wurden die Lager geräumt und die Häftlinge auf brutalen Todesmärschen Richtung Dachau getrieben. „Am 1. Mai übernachtete die Gruppe in einem Waldstück, am Morgen darauf waren die SS-Wachen verschwunden. Am nächsten Tag stießen wir dann auf amerikanische Soldaten.“ Seine Geschichte erzählt Max Volpert vor allen jungen Menschen, stellvertretend für die Überlebenden und die Toten des Holocaust. Er möchte damit, wie er selbst sagt, gegen das Vergessen ankämpfen. Und dafür, dass die Bundeswehr mit dem „Erinnerungsort Weingut II“ dazu einen aktiven Beitrag leistet, seien alle Überlebenden und Angehörigen sehr dankbar, so Volpert.
Im Rahmen der Feierlichkeiten richteten zudem Mathias Neuner, Oberbürgermeister der Stadt Landsberg am Lech, sowie der Landtagsabgeordnete Karl Freller in seiner Eigenschaft als Direktor der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten das Wort an die zahlreichen Gäste, darunter der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, MdB, sowie die Kommandeure des Kommando Unterstützungsverbände der Luftwaffe, Brigadegeneral Rainer Keller, des Landeskommandos Bayern, Brigadegeneral Helmut Dotzler, und des Waffensystemunterstützungszentrum 1, Oberst Markus Alder.
Projektarbeit "Erdhütte" - Ein Dialog in Wort und Tat
Dass die Gedenkarbeit im „Erinnerungsort Weingut II“ nicht am Kasernenzaun endet, macht die Projektarbeit „Erdhütte“ deutlich. In Zusammenarbeit mit der Berufsschule Weilheim entstand so der Nachbau einer der Behausungen der damaligen Lager. Die offizielle Übergabe nahm der Leiter der Schule, Studienrat Robert Stolzenberg, vor. Gerade dieses neue Objekt vermittelte vor allem den zahlreich mit angereisten Angehörigen der ehemaligen KZ-Häftlinge die Spur eines Eindruckes, wie elend ihre Verwandten in den Behausungen leben und sterben mussten. Genauso fördert es aber auch den Dialog zwischen der jungen Generation und den Zeitzeugen.
Das am Ende der verlesenen Grußbotschaft von Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, stehende Zitat Michelangelos brachte den Sinn der Gedenkarbeit wohl am besten auf den Punkt: „Gott hatte der Hoffnung einen Bruder gegeben. Er heißt Erinnerung.“ Die Zeremonie schloss mit einem gemeinsamen Gebet von Rabbiner Steven E. Langnas mit der katholischen und evangelischen Militärgeistlichkeit des Standortes Landsberg am Lech.
Stand vom: 13.05.15 | Autor: Helmut Hacker