Zwei Bohrtürme stehen im Dorf und zwei vor dem Dorf. Bis 1963 soll hier ein Untergrundgasspeicher gebaut werden, der ab 1965 das in ihm gelagerte Gas in ein Verbundnetz abgibt. Die Knoblaucher beschäftigen sich nicht mit dem, was unter der Erde vor sich geht. Sie ahnen nicht, wie sehr die unterirdischen Ereignisse einmal ihr Leben über der Erde verändern werden.
Am 9. September 1964 wird die Ringleitung des Untergrundgasspeichers mit Gas gefüllt und die zwölf Sonden geschlossen. Nichts Außergewöhnliches passiert. Das Leben auf der Gasblase wird den Knoblauchern zur Gewohnheit. Doch im Winter 1965 tritt zum ersten Mal Gas aus. Mal wird in einem Haus überhöhter Kohlenmonoxid-Gehalt festgestellt, mal wieder nicht. Bald ist ein Viertel der Bewohner des Dorfes unterwegs abends in Notquartiere zu ziehen und morgens in ihre Wohnungen zurückzukehren, um diese zu lüften. Keiner weiß, wann das ein Ende hat. Im Sommer 1966 explodiert eine Sonde. Vier Tage dauert es bis die Leute vom Bohrtrupp sie abdichten können.
Die Knoblaucher verlangen von den Verantwortlichen des Desasters Aufklärung darüber, wie so etwas passieren kann und ob weitere Gefahren bestehen. Sie sehen ein, dass bei neuen Technologien Unvorhergesehenes passieren kann, lassen sich beruhigen und wenden sich ihrer Arbeit zu. Aber noch bevor das Jahr zur Neige geht, geschieht etwas, das die entscheidende Wende des Dorfes Knoblauch herbeiführen soll. An einem nebligen Sonntag im Oktober reißt von der Sonde gleich hinter dem Gasthaus ein Ventil ab. Eine Fontäne von Wasser, Gas und Sand faucht in die Luft. Die Dächer ringsum sind im Nu weiß. Die Leute löschen hastig das Feuer in den Öfen, packen ihre Sachen und stehen mit Bettzeug und Koffer auf der Straße. Sie wissen im Moment nicht, was zu tun ist. Der Schaden an der Sonde wird behoben. Aber in fast allen Wohnhäusern stellen die Meßtrupps erhöhten CO-Gehalt fest.
So kann es nicht weitergehen. Am 22. Dezember 1966 beschließt der Ministerrat der DDR die Aussiedlung. Die Bewohner werden in gerade fertig gestellte Neubauten in Markee, Falkenrehde und Ketzin untergebracht. Die Bewohner des Dorfes werden mit einer solchen Großzügigkeit für die Aussiedlung entschädigt, dass sie stumm werden und nicht mal ihren nächsten Verwandten erzählen, wie viel Geld sie vom Staat bekommen haben.
Ende 1967 beziehen viele der ehemaligen Bewohner Knoblauchs Neubaublöcke in Ketzin am Mühlenweg. Diese heißen noch heute Knoblaucher Blöcke. Arbeit finden sie in der LPG "Otto Grotewohl", die sich auf Eier- und Broilerproduktion spezialisiert. Sie wird eine der wohlhabendsten Genossenschaften in der DDR.
Das Dorf Knoblauch existiert nicht mehr. Die Wohnhäuser und die Kirche wurden vom Staat gekauft und abgerissen.