Katastrophensicherer Saatgutbunker

bitti

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Auf Eis gelegt

In der Arktis entsteht das weltgrößte Saatgutlager. Darin werden Nutzpflanzensamen für künftige Züchter aufbewahrt
Patrik Stäbler

Auf der norwegischen Inselgruppe Svalbard im arktischen Eismeer ist die Vegetation karg. Gerade einmal 164 Pflanzenarten trotzen den widrigen Bedingungen.

Doch bald hat der Mangel ein Ende: Mehr als eine Million Pflanzen aus aller Welt sollen auf Spitzbergen, der Hauptinsel des Archipels, in einigen Monaten eine neue Heimat finden. An der Flora auf Svalbard wird das jedoch wenig ändern, schließlich kommen die Gewächse in Form von Samenkörnern, wasser- und luftdicht verpackt. Adressat der Pakete ist das Svalbard Global Seed Vault - die weltweit größte Samenbank für Saatgut. In diesem Monat soll der Bau dieser Arche Noah für Nutzpflanzen rund tausend Kilometer nördlich des norwegischen Festlands beendet werden. Offiziell eröffnet wird sie am 26. Februar des kommenden Jahres.

"Die Lagerstätte in der Arktis soll das langfristige Überleben der Nahrungspflanzen der Erde sicherstellen", sagt Cary Fowler. Fowler ist Direktor des Global Crop Diversity Trust (GCDT), einer 2004 von der Welternährungsorganisation FAO und der Consultative Group on International Agricultural Research gegründeten Stiftung, die sich dem Schutz von Nutzpflanzen widmet und den Bau der arktischen Samenbank leitet. Das Lager in Svalbard hat Platz für mehr als vier Millionen Saatgutproben und soll alle bekannten Kulturpflanzenarten der Welt beherbergen. Ihre Zahl schätzt der GCDT auf mehr als zwei Millionen, darunter allein hunderttausend Reissorten.

Neue Sorten entwickeln

"Viele Pflanzenarten werden heute nicht mehr angebaut, doch ihre Lagerung in Samenbanken ist wichtig für das Überleben der Landwirtschaft", sagt Roland Schnee vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) im sachsen-anhaltischen Gatersleben. Züchter greifen immer wieder auf die Samen von Saatgutbanken zurück, etwa wenn sie aufgrund von Krankheiten oder veränderten klimatischen Bedingungen neue Sorten entwickeln müssen.

Zwar gibt es einer Erhebung der Vereinten Nationen zufolge weltweit bereits mehr als 1 400 Samenbanken - sie reichen von kleinen Sammlungen in Universitäten und Forschungslaboren bis hin zu den riesigen Nationalarchiven der Industrieländer, die oft mehrere hunderttausend Proben enthalten. In Deutschland beispielsweise betreibt das IPK die größte Saatgut-sammlung. Nach Einschätzung des GCDT sind die meisten Saatgutlager aber nur unzureichend gesichert, so dass im Falle einer Naturkatastrophe oder bei politischen Unruhen der Erhalt der Bestände bedroht sei. So zerstörte Ende der Achtzigerjahre eine Gruppe von Terroristen eine internationale Kartoffel-Samenbank in Peru; im vergangenen September vernichtete ein Taifun eine umfangreiche Saatgutsammlung auf den Philippinen. "Zudem sind viele Sammlungen durch Missmanagement, Budgetkürzungen oder technische Mängel bei der Lagerung gefährdet", sagt Fowler.

Aus diesem Grund soll die Lagerstätte auf Spitzbergen ein höchstmögliches Maß an Sicherheit bieten - Fowler spricht von einem lebendigen Fort Knox. Die drei unterirdischen Aufbewahrungskammern des Saatgutlagers liegen am Ende eines 120 Meter langen Tunnels und im Herzen eines Felsmassivs auf der Insel. Um die ideale Lagertemperatur von minus 18 Grad Celsius zu gewährleisten, haben die Architekten ein ausgeklügeltes Kühlsystem entwickelt: Im Winter leiten Lüftungsschächte die bis zu minus 30 Grad Celsius kalte arktische Luft in das Innere des Bunkers, im Sommer sorgen mächtige Gefriersysteme für die nötige Kälte. Sollten diese Kälteanlagen wegen eines technischen Defekts ausfallen, sorgt der Permafrostboden außerhalb des Tunnels dafür, dass die Samen auch ohne künstliche Kühlung gefroren bleiben und nicht verderben. "Unsere Messungen haben ergeben, dass die Temperatur in den Aufbewahrungskammern auch bei einem Komplettausfall der Systeme nie über minus 3,5 Grad Celsius steigt", sagt Geoffrey Hawtin, einst Geschäftsführer und heute Berater des GCDT.

Des Weiteren haben die Entwickler beim Bau der Samenbank auch potenzielle Folgen des Klimawandels berücksichtigt. So wurde zum einen der Eingang des Tunnels auf einer Höhe von 130 Metern oberhalb der Meeresoberfläche angelegt, sodass selbst ein drastischer Anstieg des Meeresspiegels keine Gefahr darstellt. Zum anderen untersuchten die Wissenschaftler des GCDT im Vorfeld anhand von Computermodellen die möglichen Folgen der Erderwärmung für den Standort. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Klimawandel in den nächsten zweihundert Jahren keinen signifikanten Einfluss auf die Temperatur des Permafrostbodens in dieser Tiefe haben wird", sagt Magnus Bredeli Tveiten, der Projektleiter der norwegischen Regierung.

Die Saatgutproben sollen aus aller Welt geschickt werden. Mehrere große Samenbanken haben bereits ihre Zusammenarbeit zugesagt, darunter die Nationalarchive der USA und Russlands. Auch das IPK wurde um Proben gebeten. Derzeit prüfen die Gaterslebener, wie viele und welche Pflanzensamen sie nach Spitzbergen schicken werden.

Der arktischen Pflanzen-Tresor funktioniert wie ein Bankschließfach: Norwegen ist Eigentümer der unterirdischen Anlage, die Proben bleiben im Besitz der Geberländer oder -institutionen. Und nur sie können entscheiden, was mit den eingefrorenen Samen geschieht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Samenbanken, wo Forscher und Züchter Zugang zu den Proben haben, versteht sich die Svalbard-Arche ausschließlich als Lagerstätte. "Es handelt sich gewissermaßen um eine eiserne Reserve", sagt Fowler. "Die Proben werden erst dann entnommen, wenn alle anderen Saatquellen zerstört wurden oder erschöpft sind."

Finanziert wird der rund 5,5 Millionen Euro teure Bau von der norwegischen Regierung. Die Kosten für den Unterhalt der Anlage sowie für den Transport der Samenproben aus Entwicklungsländern übernimmt der GCDT, der auch von Deutschland mit 1,5 Millionen Euro jährlich unterstützt wird. Sind die Saatgutproben erst einmal eingefroren, sollen die Betriebskosten bei 150 000 Euro, von 2011 an sogar nur noch bei 75 000 Euro pro Jahr liegen.

Ein Grund für den vergleichsweise geringen finanziellen Aufwand ist der Verzicht auf ständiges Personal in dem Bunker. "Wenn Sicherheit eine so große Rolle spielt, darf man sich nicht zu sehr auf Menschen verlassen", sagt Fowler. "Nur ein- oder zweimal pro Jahr werden Experten die Anlage betreten, neue Samen einlagern und prüfen, ob alles in Ordnung ist."

Eisbären bewachen den Eingang

Um das Saatgutlager vor unerwünschten Eindringlingen zu schützen, vertrauen die Entwickler auf eine Videoüberwachung, Bewegungsmelder, meterdicke Mauern aus Spezialbeton, eine druckwellensichere Eingangsschleuse und - auf Eisbären. Die allgegenwärtige Präsenz der rund dreitausend Raubtiere auf Spitzbergen, so betont der GCDT in einer offiziellen Stellungnahme, sei ein kleiner Mosaikstein in dem hochmodernen Sicherheitskonzept.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/wissenschaft/691817.html
 
Hatten wir den nicht schon mal? Ich glaube Anonym hatte da mal was dazu gepostet.
Aber trotzdem interessant.

Gruß
Patchman
 
@patchman

Ich hatte mal ein Thema dazu eröffnet. Nach der Trennung des Forums waren alle Beiträge von anonym. Das Thema finde ich aber auch nicht mehr. Deshalb ist es gut, wenn bitti es nochmal eingestellt hat.

Gruß Sven!
 
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