Halle/Saale

martin2

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Sonderwaffenlager auf DDR-Gebiet sind einigermaßen schwierig. Nicht nur, dass es auch Einzelmeinungen gibt, dass dort gar nichts lag - ein konkretes Lager war mir immer ein Buch mit sieben Siegeln - und zwar: Halle/Saale.

Sonst ist die Sache ja einfach: Eine alte Muna, sowjetisch als Munitionslager nachgenutzt, dort ein gesonderter Bereich, der dankenswerterweise gut erkennbar (und ab und an von sowjetischer Seite dokumentiert) ist. Leider ist in oder bei Halle keine alte Muna.

Andererseits gab es die Feldpostnummer 38573, angeblich eine Подвижная ракетно-техническая база, zunächst ohne Einheitennummer, aber mit Zuordnung zur 8. Gardearmee. Irgendwann wurde klar, dass es um die 1655. PRTB mit Tarnnamen SDOBA geht. Eine etwaige Koordinate gab es auch, das Gelände der ehem. Heeres- und Luftwaffennachrichtenschule. Aber da soll was gewesen sein?

Nun aber:
Die Zeitschrift "Militärgeschichte. Zeitschrift für Historische Bildung" ist immer interessant. In der Ausgabe 1/2018 kann man beispielsweise sein Schulbuchwissen zum Prager Fenstersturz auffrischen. Oder man blättert auf Seite 28: Fast hätte ich es überblättert, da kommt der Autor mit Kürzel "sg" mit neuen Informationen und zwei mir bislang nicht bekannten Fotos.

Hier: http://www.zmsbw.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/zmg2018heft1internet.pdf
 
Sonderwaffenlager auf DDR-Gebiet sind einigermaßen schwierig. Nicht nur, dass es auch Einzelmeinungen gibt, dass dort gar nichts lag - ein konkretes Lager war mir immer ein Buch mit sieben Siegeln - und zwar: Halle/Saale.

Sonst ist die Sache ja einfach: Eine alte Muna, sowjetisch als Munitionslager nachgenutzt, dort ein gesonderter Bereich, der dankenswerterweise gut erkennbar (und ab und an von sowjetischer Seite dokumentiert) ist. Leider ist in oder bei Halle keine alte Muna.

Andererseits gab es die Feldpostnummer 38573, angeblich eine Подвижная ракетно-техническая база, zunächst ohne Einheitennummer, aber mit Zuordnung zur 8. Gardearmee. Irgendwann wurde klar, dass es um die 1655. PRTB mit Tarnnamen SDOBA geht. Eine etwaige Koordinate gab es auch, das Gelände der ehem. Heeres- und Luftwaffennachrichtenschule. Aber da soll was gewesen sein?

Nun aber:
Die Zeitschrift "Militärgeschichte. Zeitschrift für Historische Bildung" ist immer interessant. In der Ausgabe 1/2018 kann man beispielsweise sein Schulbuchwissen zum Prager Fenstersturz auffrischen. Oder man blättert auf Seite 28: Fast hätte ich es überblättert, da kommt der Autor mit Kürzel "sg" mit neuen Informationen und zwei mir bislang nicht bekannten Fotos.

Hier: http://www.zmsbw.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/zmg2018heft1internet.pdf

War das jetzt ein Schreibfehler von dir? Ich kenne für die PRTB die в/ч пп 38673.
 
@ martin2

Ganz vielen Dank für den Link! Endlich mal was belastbares zum Thema "Sonderwaffenlager in der DDR". Schreit natürlich nach einer Reise ins weit, weit entfernte Freiburg.
Warum die beiden für mich potenziell relevantesten Archive (Bundesarchiv Freiburg/Bundesarchiv Ludwigsburg) ausgerechnet in Südwestdeutschland verortet sind, wird sich mir nie erschließen ...

http://www.bundesarchiv.de/DE/Navigation/Meta/Ueber-uns/Dienstorte/Ludwigsburg/ludwigsburg.html

Gutgehn, Christian
 
@all: Was mich an dem Bericht verwundert, oder eigentlich auch nicht wirklich, ist:
„… Inspektionsteams des BND und des Defense Intelligence Agency… Die Geheimdienstler identifizierten den Standort zweifelsfrei als Nuklearwaffenlager“ - Insbesondere: identifizierten + zweifelsfrei
Frage an @goony: Steht das explizit so in den Berichten der DIA? Oder ist das nur eine Bild`sche Sichtweise?

Sollte Ersteres zutreffen, beweist das mE, dass C.T. damals Recht hatte. Wenn auch die westlichen Dienste die von ihm wiedergegebene Theorie verspätet (1991) prüften. Zweitens wird dann der ebenfalls von C.T. erwähnte 1980er DIA-Bericht (den ich hier irgendwo schon mal eingestellt hatte) hinsichtlich seiner damaligen schlussfolgernden Aussage, dass „in den Munas vermutlich keine Atomwaffen gelagert wurden“ als nicht mehr gültig berichtigt. Zwar waren Halle-Heide und Wurzen keine Munas, doch sind die von sowjetischer Seite dort jeweils Anfang der 1960er Jahre errichteten Lagerbunker keine irgendwie andersgearteten Bauwerke (von der Art und Weise ihrer Anlage, Schutzklasse, Sicherheitseinrichtungen, Logistiklösungen usw.) als die ehemaligen Bunker der Wehrmacht.

Ein weiterer Punkt ist: Ich kenne die grundlegende Akten zwar (noch) nicht, aber es gibt ja in diesen Akten, laut der Bestandsbeschreibung des BA MA, Fotos und Berichte zu vielen anderen Objekten. Frage an @goony: Wurde nur Halle-Heide in dieser Art genauer besichtigt? Bzw. reichte den Geheimdienstlern u.U. der direkte Besuch eines einzelnen solch beispielgebenden Objektes aus, um die „neue“ Theorie der DIA allgemein zu bestätigen?

Grüsse D.
 
Sagen wir mal so: Jeder Redaktion obliegt es, ihre Artikel so zu "verfeinern", wie sie es für richtig halten. Ich möchte jetzt nicht über Grundlagen der Medienberichterstattung fabulieren, doch klar ist auch, dass es in der Wissenschaft auf begriffliche Nuancen ankommt. Inwiefern das für die BILD-Zeitung gilt, kann jeder selbst beurteilen.

Nach allem, was ich bislang sah, las und hörte, kann ruhigen Gewissens davon ausgegangen werden, dass die Dienste an der Rolle dieser und anderer PRTB keine Zweifel hatten, zumindest während des Abzuges und danach. Deziderte Berichte der DIA zu diesem Objekt liegen mir bislang nicht vor, da suggeriert der Artikel eine durchaus "zu optimistische" Quellenlage. Und an dem Thema war wohlgemerkt nicht nur CAD-B bzw. die DIA interessiert. Folgende Anmerkung zum Schluss: Es wird seinen Grund gehabt haben, dass man 1992 einer tschechischen Militärdelegation nach Lychen auch Halle als "Nuklearwaffenlager" gezeigt hat.

Eine umfangreiche Darstellung und Interpretation der verfügbaren Quellen ist zum jetzigen Zeitpunkt - in Anbetracht des fortschreitenden Forschungsprojekts - nicht möglich. Hier bitte ich um Verständnis und Geduld. Wissenschaftliche Publikationen haben einen Fußnotenapparat und Quellenbelege, BILD-Artikel kommen ohne aus.

Grüße
Goony
 
Sagen wir mal so: ... da suggeriert der Artikel eine durchaus "zu optimistische" Quellenlage.

Danke @goony für die Klarstellung!

Wissenschaftliche Publikationen haben einen Fußnotenapparat und Quellenbelege, BILD-Artikel kommen ohne aus.

Mit der wissenschaftlichen Publikation werde ich zwar nicht mithalten können (das muss ich noch etwas in die Zukunft verschieben), aber mittlerweile ist meine schon vor einiger Zeit hier angekündigte Broschüre druckbereit. Da in dem "Militärgeschichte"-Artikel ja auch ein Satz zu Wurzen geschrieben steht, ist es vielleicht an der Zeit, u.a. dieses etwas näher zu "beleuchten". Wie gesagt, erwartet nicht das Oben-Genannte - die Broschüre soll in Art und Umfang für einen erklärenden Überblick reichen. Einiges steht ja auch auf meiner Webseite.

Deswegen hoffe ich, ihr gestattet mir hier etwas "Eigenwerbung".
 

Anhänge

  • Geschichte(n) aus dem Kalten Krieg - Werbung.pdf
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Die bisherigen öffentlichen Reaktionen auf den verschiedenen Kanälen enttäuschen mich: Wo sind denn die Ritter des "es gab nur Lychen und Linda" abgeblieben?
 
Moin

Vielleicht hier noch mal die Frage wenn es den Experten nicht zu belanglos ist.

Was waren den die Technischen Voraussetzungen um Sowjetische Atomsprengköpfe zu lagern ?

Die beiden grossen angesprochenen Lagereinrichtungen sind ja mit den Kompressorkühlanlagen unglaublich aufwendig gegenüber westlichen Lagern.

Die eigentlichen Lagereinrichtungen bei der Nato waren grosse MLH und in der Wartungshalle könnte man genauso gut LKW reparieren. Sieht erschreckend simpel aus.

Die Kühlanlagen in den beiden grossen GSSD Lagern irritieren mich während die Bombenlager an den Flugplätzen wohl ohne so eine Kühlanlage auskommen.

Genügte einem Sowjetischen Atomsprengkopf der 80er Jahre auch ein trockenes Plätzchen in einer
" Doppelgarage " ?
 
Was waren den die Technischen Voraussetzungen um Sowjetische Atomsprengköpfe zu lagern ?
Zwar hat die russische Seite nie konkreteres wissen lassen. Aber indirekt kann man schon schlussfolgern.

1) Temperatur: Eine Spanne von-bis.
2) relative Luftfeuchtigkeit von-bis.

Diese unterschieden sich je nach Sonderwaffe. Es gab aber einen gemeinsamen Kernbereich. Der dann natürlich deutlich enger war. Das erklärt die sehr aufwändigen Installationen in Lychen und Linda: Dort waren unterschiedlichste Systeme mit unterschiedlichen Anforderungen. Das grenzte beide Spannen deutlich ein. In den T7-Lagern ist auffällig, dass die obere Grenze der relativen Luftfeuchtigkeit kritisch war: Der Aufwand, das Kondensat im Zentralraum abzufühlen war erheblich.

3) Schockschutz: Der Aufwand ist den T7-Lagern ist bekannt. In den truppennahen Lagern ist der so nicht nachweisbar. Es spricht daher einiges dafür, dass die T7-Lager für den zweiten (!) massierten Schlag (35% der Waffenmittel) vorgesehen waren.

4) Alterung der Waffensysteme: Systeminmanent ist, dass radioaktive Stoffe einem natürlichen Zerfallsprozess unterliegen. Es ist unklar, in welcher Frequenz diese Waffen zum Herstellerwerk zurückgeführt werden mussten. Ich gehe davon aus, dass das erst nach vielen Jahren (dann entsprechend Messungen) erfolgte.

Der jeweils einzelne Laborplatz in den T7-Lagern ist tatsächlich auch unklar. Eine reale Funktionalität für radioaktive Stoffe vermag ich nicht zu erkennen: Da ist keinerlei Abschirmung gegen Strahlung. Da ist Abschirmung gegen Kontakt. Diese Laborplätze sprechen eher für die Lagerung von bakteriologischen oder chemischen Kampfstoffen, nur so macht der Arbeitsplatz Sinn.

Dabei muss man zudem bedenken, wann die T7-Lager gebaut wurden. Zu der Zeit hat es möglicherweise noch Sonderwaffensysteme bakteriologisch/chemisch gegeben. Im späteren Verlauf haben diese Lager dann mehrere Generationen von A-Waffen gesehen.
 
Danke für die Erklärung.

Der Aufwand, das Kondensat im Zentralraum abzufühlen war erheblich.

Dann ist das keine Kühlanlage im eigentlichen Sinne wie von mir vermutet sondern eher um die Luftfeuchtigkeit zu senken.
Jeder der mal im Sommer in diesem Riesen Erdkeller war weiss was ich meine.

Dann vermute ich auch mal das die nicht ständig lief sondern hauptsächlich nur nach grösseren
ein / aus Lagerarbeiten laufen musste wenn die grossen Tore länger geöffnet waren.

Bei kleineren Ebenerdigen Lagerbunkern mit weniger Volumen ist das dann so aufwendig gar nicht nötig.
Der am Flugplatz B hat keine Kühlung, aber eine schon recht ordentliche Belüftungsanlage.

> Diese Waffen waren in der letzten Phase des Kalten Krieges fast überall Lager und transportierbar.
 
Das Lager B. und auch die baugleichen L. und Fiwa hatten eine Kühlung. Es gab einen Kühler in der Hauptlüftungsanlage und von dieser einen Abzweig mit zusätzlichen Kühler für den Lagerbereich auf der oberen Ebene des Verdichterraumes.

Edit: und einen zuschaltbaren Befeuchter
 
Hallo Kollegen,

ich schreib mal ein paar Sätze dazu, obwohl das - wie schon bemerkt - "einigermaßen schwierig" ist und ja auch irgendwie in der Schwebe. Grundsätzlich ist die Identifikation natürlich richtig und sehr verdienstvoll. Am besten gefallen mir dieses wunderschöne Foto vom Bunkereingang und die genaue Verortung via Luftbild / Lageskizze (Bild-Zeitung hin oder her). Andererseits gibt es auch eine Menge Ungenauigkeiten und offene Fragen, die nicht nur den "Wissenschaftler" bekümmern sollten:
(1) Die beiden Bunker wurden laut sowj. Unterlagen 1958 gebaut und haben jeweils eine Grundfläche von ca. 280 qm. Für sowjetische Baukünste dieser Zeit ist das eine ganze Menge. :)
(2) Der Autor hat wohl weniger "Akten des Bundesnachrichtendienstes" studiert, um zu diesen Erkenntnissen zu kommen (obwohl man auch dort fündig wird), sondern vermutl Unterlagen des Deutschen Verbindungskommandos zur WGT in Freiburg.
(3) Wer genau inspiziert hat, ist nicht so ganz klar. Bei der ersten Besichtigung in 09/91 sind "Mitarbeiter von cad-b / 12ya" belegt (das dürfte bekannt sein). Diese Inspektion erfolgte wenige Tage nach der Übergabe der Kaserne am 16.08.91 und könnte eine Routineangelegenheit gewesen sein. Für die zweite Inspektion Anfang Oktober 91 habe ich nur BMVg und AMK. Mit von der Partie ist immer jd vom VerbKdo.
(4) Meines Wissens existiert bisher weder ein Bericht DIA noch BND, sondern lediglich ein Fernschreiben aus dem BMVg, in welchem die Liegenschaft als "ehemaliges Nuklearwaffenlager" angesprochen wird. Es liegen weiterhin Fotos / Beschreibungen aus dem Umfeld VerbKdo vor mit der internen Notiz "Verdachtsmomente bestätigt" bzw. "Reste von Sicherungsanlagen lassen auf Lagerung von Nuklearsprengköpfen schließen!"
(5) Das alles erfolgt m.E. nicht unbedingt im Sinne einer gezielten Suchaktion, sondern mitten in dem Durcheinander 07-10/91 (Abzug der letzten A-Waffen, Förtsch ./. Burlakow, Torgau) und wirkt auf mich eher wie eine Sammlung / Beschreibung von Verdachtsmomenten ohne präzise, zusammenfassende Schlussfolgerung der oft beschworenen Dienste.
(6) @demo01: Insofern scheint mir der Schluss auf die zehn Jahre zuvor geführte Debatte eher gewagt. Die Situation hatte sich inzwischen grundsätzlich geändert, weil man die verdächtigen Teile - Lychen und Linda allen zuvor - ganz einfach angucken konnte, gleichzeitig aber auch das Interesse mangels Belegung abnahm.
(7) Ich stimme dem Text in ZfhB zu, dass man in Halle gern Köpfe / Träger für die 8. GdArmee suchen würde und wenn, dann eher TR als OTR. M. E. ist allerdings die konkrete Zuteilung und Struktur nach wie vor unklar, also eher Objekt amüsanter Symmetriespiele und insofern Spekulation.
(8) Gleiches gilt für den spektakulären Bahntransport aus Halle via FfO nach Brest vom 19.03.88. Er ist einer von nur zwei Transporten nach/von Halle aus dieser Zeit und es liegt schon nahe, das mit dem Wechsel Luna ./. SS-21 in Verbindung zu bringen. Aber weiß das irgendjemand genau? Gibt es dazu eine zweite Quelle oder einen ernsthaften Beleg? Nach meinen Unterlagen wurde der Wechsel zu SS-21 bei der WGT ab 85 vollzogen und die neue RBr für die 8. GdA schon im März 87 aufgestellt. Frühling / Sommer 88 für die Köpfe wäre da eher spät.
(9) Das MfS scheint sich trotz dieser zwei Züge nicht speziell für Halle-Heide interessiert zu haben, sagen Quellen, die es wissen sollten.
(10) Und ob sich die tschechische Delegation im Mai 92 speziell der früheren PRTB in Halle-Heide gewidmet hat, ist unklar. Sie hat auch den FP in Neuruppin besichtigt und bei den Hintergrundinfos über den Standort Heide ist seitens der Deutschen davon gar keine Rede.

Also alles bei näherem Hinsehen ein bisschen komplexer, schwieriger und nicht ganz so schlüssig, wie es beim ersten Lesen der Bild-Zeitung scheint. Das alles jetzt nur auf die Schnelle und ins Unreine gesprochen.
:)

Grüße
K.
 
Moin,

@kurtz: Zur redaktionellen Freiheit der BILD-Redaktion habe ich mich bereits geäußert. Das betrifft einige deiner Anmerkungen. Über den genauen Kontext der Begehung und die Rolle der Dienste mag man diskutieren, hier würde ich aber dem Ergebnis meines Forschungsprojekts vorgreifen. Insofern lasse ich deine Aussage hierzu vorerst unkommentiert. Nur so viel: Ich sehe das etwas anders als du ;)

Bei den Zuordnungen der PRTB zu bestimmten Verbänden bin ich optimistischer als du. Es ist dort sehr wohl ein System zu erkennen, und für Halle gibt es hierzu wohl kaum Zweifel.


Grüße
Goony

PS: Der BILD-Artikel „bekümmert“ mich keineswegs. Die Kernbotschaft kam an.
 
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