Das "ungesunkene" Betonschiff "Ulrich Finsterwalder"

jollentreiber

New member
Da mich Admin Martin vor fast 4 Woche mit der Aussicht auf ein vermeintliches Betonschiff umsonst auf die Insel Usedom, genauer gesagt auf die Insel Görmitz, gelockt hat, habe ich mir gesagt das ich es jetzt selber in die Hand nehme bzw. mir selbst ein existierendes suche.
Ja auch wenn es bei Google Earth so ausschaut und es doch auch möglich gewesen wäre, der Bootssteg der Insel Görmitz ist kein altes Betonschiff welches umfunktioniert wurde.

Was lag also näher als bei meinem nochmaligen Besuch der Insel Leitholm und dem weiterführenden Gesprächen mit dem Ortschronisten von Trzebież (Ziegenort) das Wrack des Betonschiffes „Ulrich Finsterwalder“ nordöstlich von Stettin anzusteuern.

Ist natürlich leichter gesagt als getan da das Wrack des 1944 in Rügenwalde gebauten Tankschiffes aus Beton nicht am Ufer also leicht zugänglich, sondern im Dabi-See liegt und nicht "trockenen Fußes" erreichbar ist.

Da ja aber ein gut ausgerüsteter HP-User im allgemeinen alles notwendige Equipment zur Ausübung seines Hobbys wie: Taschenlampen, Kletterzeug, Fahrrad, Zigaretten, Fotoknipse, 4 paar Socken und die farblich dazu passende Unterwäsche, Lebensmittel usw. mitführt, war das Unternehmen "Betonboot" dann doch nicht sooo kompliziert.
Es geht eben nur übers Wasser an das Wrack....wo ist das Problem?

Ja und wie oben geschrieben, hat ein richtiger HP-User für solch einen Fall natürlich auch immer ein passendes Hilfsmittel im/auf dem Auto.
Hier konnte also nur das Kajak zum Einsatz kommen.



_MG_21931.jpg


Wo dieses aber jetzt genau einsetzen? Von der westlichen Seite, also von ehem. Ziegenort, war mir der Weg mit dem Kajak zu weit. Man ist ja auch nicht mehr der jüngste und so eine Tour bis zum Schiffswrack hatte auf diesen Weg den ganzen Tag eingenommen.

Ich habe mich dann morgens doch lieber für die Anfahrt des östlichen Ufers mit dem Defender entschieden um von dort dann auf dem Wasserweg zum Schiff zu gelangen.

Das die polnischen Kirchgänger jetzt genau an diesem (für mich so wichtigen) Tag in jedem Dorf einen alten Mann stützend und Lieder singend die Straßen lang zerren....daran habe ich nicht gedacht. Der Weg wurde durch diese zahlreichen Fronleichnam Prozessionen dann auch nicht wesentlich schneller als mit dem Paddel in der Hand.




_MG_2319.jpg


Egal, bei besten Sonnenschein bin ich über alte Wege, die noch zu Zeiten der polnischen Kolchosen gebaut wurden, gefahren und habe auch hohe Bäume nicht gescheut um eine geeignete Einsatzstelle für mein Kajak zu finden.



_MG_2322.jpg



_MG_2276.jpg


Boot runter, Schuhe aus und rein ins Boot. Vorher noch die Zigaretten, Handy und die Kamera wasserdicht verpackt.

Die Koordinaten des Liegeortes der „Ulrich Finsterwalder“, benannt nach dem maßgeblich an der Entwicklung der Bootskörper aus Beton beteiligten, hatte ich mir vorab bei GE kopiert. Es konnte also nichts mehr schief gehen. Außer ein Unwetter hätte mich getroffen.

Nach knapp 4 km wilder paddelei lag es am Horizont, flach und gänzlich ohne Aufbauten, nur ein Baum schmückte den Bug....das Schiff mit ca. 2.700 BT welches in der Betonwerft Rügenwalde gebaut und synthetisch hergestelltes Benzin des nahegelegenen Hydrierwerk Pölitz AG transportieren sollte.
Dazu gekommen ist es allerdings nicht mehr.




_MG_2370.jpg



IMG_2336.jpg



IMG_2388.jpg


Aber wie kam es überhaupt zum Betonschiffbau in der Zeit als die „Finsterwalder“ entstand?

Bedingt durch die Rohstoffknappheit damaliger Kriegszeit besann man sich auf die Betonschiffe vorheriger Zeiten. Sparte doch die Verwendung von Leichtbeton in Verbindung mit einem 6lagigen Bewährungsgeflecht große Mengen an Stahl welcher für die Kriegsproduktion anderweitig verwendet werden konnte.

Einen genauen Bericht zu dem Thema habe ich hier gefunden:





Was man unschwer beim näher kommen erkennen kann, ist daß das Boot mit 90m Länge, 15m Breite und den 6,5m Tiefgang schwere Beschädigungen durch erfolgten Beschuß in der Region erlitten hatte die wohl letztendlich auch dazu geführt haben das es jetzt seit 70 Jahren dort im seichten Wasser des Dabi-See seine letzte Liegestätte gefunden hat.



_MG_2381.jpg



_MG_2395.jpg



IMG_2412.jpg


Hier endet erst mal der Bericht wegen der einstellbaren Bilderzahl. Teil II folgt in kürze.
 
Teil II "Ulrich Finsterwalder"

Teil II

Ich habe es aufgrund des doch etwas wackligen Fahrzeuges unter meinem Hintern und der mitgeführten Kamera gelassen an der beschädigten Bordwand hinaufzuklettern um Bilder vom Deck des Schiffes zu machen.

Rauf wäre ich ja sicher noch gekommen, aber dann meine 2m Länge mit dem Lebendgewicht von 120kg wieder trocken in die Einstiegsluke des Kajaks zu wuchten ohne zu kentern...nee dazu war ich (auch für Euch HP-User) nicht bereit.
Also gibt es von mir nur Bilder von "untenrum".



Schiffsbug

_MG_2377.jpg

Schiffsrumpf

_MG_2358.jpg

Schiffsheck

_MG_2393.jpg

Schiffsloch

_MG_2403.jpg


ABER, da die polnische Tochter des HP-Forum´s ja auch nicht ganz untätig in Sachen Exkursionen ist haben sie uns freundlicherweise das Video ihres Ausfluges zur „U.Finsterwalder“ ins Netz gestellt:




WAS aber noch geiler ist, ist dieses Video des Schiffes von oben. In vollster HD Qualität die "Ulrich Finsterwalder" aus Vogelperspektive:




Ich bin bei meine Vorbereitung auch auf diesen polnischen Bericht zur Geschichte des Schiffes gestoßen. Hier mal gleich als Übersetzung:

http://translate.google.de/translat...a=X&ei=eIIaUZHsMMGGtAbpn4CABg&ved=0CDoQ7gEwAA



Nun wie man ja sieht habe ich meinen kleinen Ausflug, auch ohne im Besitz des "Seepferdchen" Stufe I zu sein, überlebt.
Ich hoffe daß das Thema gefällt und sich nun einige andere historisch interessierte User hier auch mit einbringen.


_MG_2426.jpg


Das war´s dann also mal wieder mit einem weiteren bebilderten Tourbericht aus dem „Nahen Osten“.

Gruß
Lutz



Ach ja, natürlich habe ich in den 5 Tagen hier oben nicht nur „Boot geschaut“, sondern war (ja ja, dem Kaule sei es gedankt) auch an anderen Orten der Zeitgeschichte, wie die Orte der Luftabwehr des Hydrierwerk Pölitz AG, Fliegerhorst Stargad, Versuchsbrücken bei Stetti-Podejuch usw. aktiv.

Dazu aber später mehr.
 
Jo, danke für die Blumen.

Ich bin der Meinung das sich "durch ein wenig mehr" ein besuchtes Objekt besser darstellen lässt als nur durch das Einstellen von Bildern.
Sicher macht es mehr Arbeit, ist also Zeitaufwendiger, doch dadurch erlebt man selbst die gewonnenen Eindrücke nochmal und deutet die bei der Nachrecherche gewonnenen Erkenntnisse ganz anders.

Des weiteren soll ja ein Forum, grade eines in der Größe wie Hidden-Places, Wissen vermitteln und zur Auseinandersetzung mit dem behandelten Thema auffordern. Da sind dann schnöde eingestellte Bilder oft nicht Zielführend.

Aber ich schweife ab.
 
Land Rover Fahrer sind seltsame Leute :)

Das sagt mein alter ehrwürdiger Vater auch immer wenn er mich mit der bepackten "Kiste" losfahren sieht.
Ich kenne auch ganz normale....sind aber nicht wirklich viele. :highly_amused:

Gruß Lutz

....der grade wieder auf dem Weg zur nächsten Kajakexpedition in die deutsche Geschichte ist. Diesmal geht es zu einer ehemaligen Torpedostation im jetzigen Polen.
Bericht folgt natürlich.
 
ein super Bericht und so toll ausgearbeitet ! :applouse: ..... da kams mir doch glatt in Erinnerung das ick ja eigentlich mal nach Redentin wollte um das dortige Betonschiff zu besichtigen.

Grüße aus der Waldstadt ...
 
Toll, Lutz. Hast du auch noch mehr Aufnahmen von der offenen Stelle, bei der man die Bewehrung so gut sieht? Quasi, der Blick hinter die Bewehrung, links/rechts? Es würde mich freuen.
Grüße und danke Thomas (Kemnitz)
 
Der Betonrumpf aus den 1940er Jahren im Dammschen See (Jezioro Dąbie) bei Stettin (Szczecin) wird allgemeinhin dem Tankschiff »Ulrich Finsterwalder« zugeschrieben. Diese These wird seit Jahren nicht nur in Internetforen und in der Presse wiederholt, auch in touristischen Entwicklungsvorhaben und Fachartikeln wird sie verbreitet. Doch schon die Draufsicht und die Doppelwandigkeit können belegen, dass es sich um den Rumpf eines Seefrachters ähnlicher Bauart aus der gleichen Zeit handelt.

Dazu von mir ein kleines Video (DE/PL) und ein paar weitere Infos im Text am Video und im Abspann.

Deutsche Version https://vimeo.com/tk360/betonschiff

Wersja polska https://vimeo.com/tk360/betonowiec
 
Oben