Rätsel um Gefechtskopftransportwagen 154

Kurtz

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Hallo Kollegen,
hab erst eine Weile überlegt, ob das hier richtig steht - aber ein Nuklearwaffentransport ist schließlich so etwas wie ein mobiles Sonderwaffenlager, also wird das schon passen.
Zufällig nahm ich die letzten Tage mal wieder dieses dickleibige Teil von Poschwalow / Rentsch / Gehlert in die Hand (die Freundin presst darin gerne Blumen): "An vorderster Front: Ausgesuchte Forschungsergebnisse zur Stationierungsgeschichte von Raketeneinheiten u. zum Bau des 4. u. 5. Gefechtskopflagers der sowjetischen Streitkräfte auf dem Territorium der DDR". Auf S. 327 wird ein sehr interessanter "Spezialwagon 154 für den Transport nuklearer Gefechtsköpfe" abgebildet. Sogar die darin untergebrachten Gk sind eingezeichnet. Da das Werk nicht ohne Probleme im regulären Buchhandel zu erwerben ist, unten die entsprechende Abbildung. Frage: Hat jemand schon mal so ein Modell gesehen oder weiß sonst etwas darüber? In einer Veranstaltung in Wünsdorf hieß es vor einer Weile, möglicherweise seien atomare Gk für die R-5M in Vogelsang "in Kühlwagen auf dem Anschlussgleis nach Groß-Dölln" gelagert gewesen. Waren das vielleicht solche Wagen?
K.

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@all,

... nur das die im Video gezeigten Waggons nicht passen! Und nicht nur, weil sie für einen anderen Zweck geschaffen wurden.

Grundsätzlich: Das von Kurtz gezeigte Bild (aus dem gewissen Buch - leider hab ich dies nicht) entspricht einem umgebauten (?) Waggon aus der Produktion des VEB Waggonbau Dessau (siehe hier: http://www.kuehlwaggon.de/lieferungen/ddr/index.html
http://www.kuehlwaggon.de/images/ek4dr.jpg
http://www.kuehlwaggon.de/images/drkuehlzug1954.jpg )

Auffällig ist die fehlende Mitteltür. Also kann der Wagen nur an einer Stirnwand entladen werden (öffnungsfähiges Dach scheidet aus). Demzufolge nur an einer Kopfladerampe oder, wie anderweitig gesehen, mittels (mobiler) Entladebrücke. Letzteres ist mir bisher allerdings nur aus der SU "bekannt".
 

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... möglicherweise seien atomare Gk für die R-5M in Vogelsang "in Kühlwagen auf dem Anschlussgleis nach Groß-Dölln" gelagert gewesen. Waren das vielleicht solche Wagen?Anhang anzeigen 109462

Nochmals dazu: Da diese Kühlwaggons schon seit Ende der 1940er Jahre für die SU produziert wurden (siehe hier: http://www.eisenbahnen-der-welt.de/typo/index.php?id=250 ), ist es natürlich ohne weiteres möglich, daß solche Wagen auch ab Ende der 1950er dafür genutzt wurden. Entsprechend um- und ausgebaut für den neuen Zweck. Der nachstehend abgebildete Waggon könnte das Basismodell gewesen sein:
http://www.eisenbahnen-der-welt.de/typo/uploads/pics/kuehlwagen_29.jpg
 
Nochmals dazu: Da diese Kühlwaggons schon seit Ende der 1940er Jahre für die SU produziert wurden (siehe hier: http://www.eisenbahnen-der-welt.de/typo/index.php?id=250 ), ist es natürlich ohne weiteres möglich, daß solche Wagen auch ab Ende der 1950er dafür genutzt wurden. Entsprechend um- und ausgebaut für den neuen Zweck. Der nachstehend abgebildete Waggon könnte das Basismodell gewesen sein:
http://www.eisenbahnen-der-welt.de/typo/uploads/pics/kuehlwagen_29.jpg

Du könntest sogar noch weiter gehen: Wer sagt denn, dass die in der UdSSR nochmals umgebaut wurden? Das ist reine Vermutung. Genau so kann man vermuten, dass ein Los gleich so gebaut wurde, wie das der 12. HV des sowjetischen Generalstabs passend erschien.

P.S: Reden wir eigentlich über reine Kühlung? Oder reden wir funktional über Klimatisierung, also Konstanthaltung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit? Weil - was war denn im Winter bei -15°C mit den Waggons?
 
Hallo Kollegen,
hab erst eine Weile überlegt, ob das hier richtig steht - aber ein Nuklearwaffentransport ist schließlich so etwas wie ein mobiles Sonderwaffenlager, also wird das schon passen.
In einer Veranstaltung in Wünsdorf hieß es vor einer Weile, möglicherweise seien atomare Gk für die R-5M in Vogelsang "in Kühlwagen auf dem Anschlussgleis nach Groß-Dölln" gelagert gewesen. Waren das vielleicht solche Wagen?
K.

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Kannst Du dazu bitte noch etwas mehr ausführen, Danke!
 
Hallo Kollegen,

demo01 befindet sich auf der richtigen Spur. Der Gefechtskopftransportwagen 154 hat nämlich ein Problem: Er besitzt in der Mitte keine Tür. Das Dach kann man nicht abnehmen und der Trick mit der Stirnwand scheidet laut Skizze bei diesem Waggontyp ebenfalls aus. Wie also kamen die Container hinein und wieder hinaus? Vielleicht hatten die Sowjets das Rätsel der Teleportation gelöst?
Bitte mal das angucken! Das ist ein "4х-осные изотермический вагон для перевозки вина", also ein Kühlwagen zum Weintransport. Auf dem Grundriss kann man unten rechts und links die beiden Tanks erkennen, in der Mitte das Abteil für Personal. Jetzt wird auch klar, warum er nur diese schmale Mitteltür hat. Legt man die Risse aus dem "gewissen Buch" und aus dem Netz nebeneinander, scheint der Weinwagen das Original zu sein und fast könnte man auf die Idee kommen, Gefechtskopftransportwagen 154 sei durch mühsames Retouchieren aus ihm entstanden.

K.
 
P.S: Reden wir eigentlich über reine Kühlung? Oder reden wir funktional über Klimatisierung, also Konstanthaltung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit?

Temperierung könnte ich ja verstehen.

Was einem aber sofort auffällt in den beiden grossen Lagern in Stolzenhain und Lychen sind die relativ grossen aufwändigen Kältemaschinen.
So etwas gibt es in westlichen Lagern überhaupt nicht. Da lagen die Murmeln in ganz normalen Munitionshäusern. Nur die Tür war etwas modifiziert.

Mir wäre so ein Ding ziemlich unheimlich was einfach nur im Lager liegt und ganz von selber warm wird.
 
Sogar die darin untergebrachten Gk sind eingezeichnet. Da das Werk nicht ohne Probleme im regulären Buchhandel zu erwerben ist, unten die entsprechende Abbildung. Frage: Hat jemand schon mal so ein Modell gesehen oder weiß sonst etwas darüber? Anhang anzeigen 109462

Moin,

zwei Anmerkungen dazu:
1) Wie auch immer diese Zeichnung entstanden ist - aber derart viele Gefechtskopfcontainer in einem Waggon halte ich für "ambitioniert". Zumindest bei Scud-Köpfen wird es da eng. Und bei R5-M Köpfen dürfte es noch enger werden. Oder irre ich damit?

2) Im aktuellen Beitrag von Wolfgang Klietz über den Fährhafen Mukran in der Zeitschrift Militärgeschichte ( http://www.mgfa-potsdam.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/1_zmg2017heft3internet20170919.pdf ) schreibt der Autor folgendes über Kühlwagen mit möglicher nuklearer Beladung:

"In Einzelfällen habe die Armee nukleares Material getarnt in mehreren aneinander gehängten zivilen Kühlwaggons verschifft, sagt Vaicekauskas. Hafenarbeiter und Seeleute konnten allenfalls ahnen, welche brisante Ladung auf die Schiffe rollte, wenn beispielsweise auffällig viele Soldaten für die Bewachung eingesetzt wurden. Dem Hafen- und Bahnpersonal wurden nur nichtssagende Codes über den Inhalt der Wagen vorgelegt. »Wir konnten es nicht sehen, und wir konnten es nicht wissen«, sagt Vytautas Vaicekauskas über die geheimen Transporte. Dass über die Fährlinie viele Nukleartransporte abgewickelt wurden und dass die Armee es dabei mit den Sicherheitsbestimmungen nicht allzu genau nahm, haben viele Kollegen von Vaicekauskas leidvoll erfahren. Er habe von auffällig vielen Arbeitern und Eisenbahnern gehört, die an Krebs erkrankt sind – wahrscheinlich eine Folge der Strahlung während der Nukleartransporte, vermutet der einstige Hafenchef."

Wolfgang Klietz: Mukran – Fährhafen der DDR, in: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung. Heft 4/2017, S. 20.

Grüße
Goony
 
Hallo Goony,

1) Wie auch immer diese Zeichnung entstanden ist - aber derart viele Gefechtskopfcontainer in einem Waggon halte ich für "ambitioniert". Zumindest bei Scud-Köpfen wird es da eng. Und bei R5-M Köpfen dürfte es noch enger werden. Oder irre ich damit?
Natürlich ist das Quatsch. Du musst nur nachmessen. Auf der Skizze sind diese lächerlichen Rechtecke maßstäblich 2,30 m, mal auch nur 2,00 m lang. Jetzt hat der Scud-Gefechtskopf aber schon 2,86 m. Und der Totschka-Container 9Ja236 misst 2,76 m. Quer geht überhaupt nicht. Ich sagte ja, das ist Pfusch.

2) Im aktuellen Beitrag von Wolfgang Klietz über den Fährhafen Mukran in der Zeitschrift Militärgeschichte ( http://www.mgfa-potsdam.de/html/eins...et20170919.pdf ) schreibt der Autor folgendes über Kühlwagen mit möglicher nuklearer Beladung:
Auf diese Kühlwagen stößt man immer wieder. Jeder Eisenbahner berichtet davon - aber wirklich erhärten lässt sich das m.E. bisher nicht. Die einschlägigen Transporte via Mukran sind, was Zahl und Datum angeht, sehr genau eingrenzbar. Und nach Berichten von vermuteten (hihi) Augenzeugen sind das eher keine Kühlwagen gewesen.

Meine aktuelle Pointe besteht eigentlich darin, dass ich den Verdacht nicht loswerde, "Gefechtskopftransportwagen 154" könnte erfunden sein, also aus einem harmlosen, konventionellen Weintransportwagen zurechtretouchiert. Hierzu noch ein Beleg: Die oben bereits zitierte Quelle "An vorderster Front" präsentiert auf S. 331 ein Foto, resp. eine "Seltene Aufnahme des 154'er Wagons". Damit sich jeder ein Bild machen kann, lege ich das bei. Wieder ist die verräterische Mitteltür auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Das mögliche Originalfoto mit der gleichen Nummer "34" findet man hier, auf einer harmlosen Modellbauseite, zweites Bild von oben. Kein Gefechtskopftransportwaggon, nirgends.

Grüße
K.
 

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Oha, die Bildverfälschung ist hier offensichtlich. Dass die harmlosen Modelleisenbahner eine Mitteltür ins Bild retourchiert haben, ist auszuschließen. Welcher Bildnachweis wird denn in "An vorderster Front" für dieses Bild geliefert? Etwa "Autorenarchiv"?

Wozu eigentlich der Aufwand, in einer teuren nicht-Publikation bestimmte Bilder ganz offensichtlich zu fälschen? Für 55€ (früher deutlich mehr) erwarte ich mehr Qualität. Seltsam, dass es "vergriffen" ist...

Grüße
Goony
 
http://arbeitskreis-zeitgeschichte.com/index_86.htm

"Atomniki 1949 - 1990" - dieser Titel suggeriert die nächste Geschichtsklitterung, und das schon als 3. Ergänzungsband. Vielleicht sollten zur Abwechselung keine Quellen "erfunden" werden, sondern einfach Archive besucht und zugängliche Quellen genutzt werden. Dazu noch eine Fußnote mit korrektem Quellenverweis, und dann wird man vielleicht Teil eines richtigen Diskurses. Mit Bildfälschungen (so mein Eindruck nach den bisherigen Belegen von @Kurz) katapultiert man sich aus jeglichen Diskursen von selbst heraus. Quellenmanipulation ist meiner Meinung nach ein Kapitalverbrechen in der Wissenschaft. Aber von Wissenschaft reden wir hier garnicht mehr...

@Kurtz: Gibt es noch weitere Hinweise für bildliche oder inhaltliche Falschdarstellungen in "An vorderster Front", die die Vermutung der bewussten Täuschung nahelegen?


Grüße
Goony
 
Bildnachweise stehen da praktisch nie. Sagte ja schon: Hervorragend zum Blumenpressen geeignet (im Moment: Herbstlaub!).

@Kurtz: Gibt es noch weitere Hinweise für bildliche oder inhaltliche Falschdarstellungen in "An vorderster Front", die die Vermutung der bewussten Täuschung nahelegen?

Ist in Arbeit. :ghost:
K.
 
Auf diese Kühlwagen stößt man immer wieder.
Und die dürfte -für Mukran- falsch sein.

Ich habe einen Zeitzeugen für Mukran, ein deutscher Beteiligter. Er sagt, dass manche Beschäftigte (Art der Beschäftigung) sehr wohl Sonderwaffentransporte erkennen konnten. Keine zivilen Kühlwaggons.

BTW: Interessant, dass in diesem "Buch" An vorderster Front: Ausgesuchte Forschungsergebnisse zur Stationierungsgeschichte von Raketeneinheiten eine offenbare Fälschung auftaucht. Sind die deshalb nicht im Buchhandel erhältlich?
 
In meiner Jugend vor mehr als fünfzig Jahren standen diese Art Kühlwaggons ( weiß, manchmal jedoch auch rotbraun ) sehr oft für mehrere Tage am Bahnhof Luisenthal. Ein Kabelanschluss gab es von einem Mast am Bahnhof. Sie fielen nur auf weil es sich um russische Kühlwaggons mit russischer Beschriftung handelte. War eher ungewöhnlich so weit ab von der Hauptstrecke. Mein Vater war Eisenbahner, er sagte immer - da haste du dich verguckt. Es waren soweit ich mich erinnere fünf bis sieben Waggon.
 
Legt man die Risse aus dem "gewissen Buch" und aus dem Netz nebeneinander, scheint der Weinwagen das Original zu sein und fast könnte man auf die Idee kommen, Gefechtskopftransportwagen 154 sei durch mühsames Retouchieren aus ihm entstanden.

@Kurtz,

es scheint nicht nur so - ES IST SO!!! Das Bild aus dem Buch ist eine - noch nicht mal besonders gut gemachte - Fälschung! Das von dir hierzu eingestellte Bild aus einem sowjetischen Eisenbahnwagen-Album ist das wirkliche Original. Man erkennt sogar noch die nicht richtig wegretouchierten zugrundeliegenden technischen Details, dazu die fehlenden (abgeschnittenen) Hinweis- und Mittellinien, die nur gekürzte und dann noch nicht mal mittig angeordnete Wagenbezeichnung usw.

Und ja... die fehlende Tür! Ich hielt ja zumindest zugute, daß man über eine Stirnwand... Aber der Fälscher vergaß, nachdem er die Tür weggezaubert hatte, eine andere "einzubauen": Übers Dach schied schon wegen der Aufbauten aus, durch Bodenluken hahaha...

Hätte man druntergeschrieben, dass man auf Grund fehlender Originalpläne das Bild dementsrechend abgeändert hat, würde ich es ja sogar akzeptieren. Und ich hab mir die Mühe gemacht, überhaupt den zugrundeliegenden Originalwaggon herauszusuchen... tststs
 
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